„Du Iset?“ fragte Frank
Beide Frauen drehten sich zu ihm um und sagten im Stereo „Ja?“
Warum verfahrt ihr mit den Vornamen so, dass ihr alle nur den Namen Iset tragt, ohne Nummerierung wie „Iset die 53.“ oder Beinamen, dass man Euch besser unterscheiden kann, wenn man eine von Euch anspricht?“
Die Oberpriesterin antwortete. „Das hat einen ganz einfachen Grund. Damit soll der Name und die Institution Iset einen immerwährenden Charakter haben, und über der Zeit stehen. Iset war, Iset ist und Iset wird sein. Wenn Ich gegangen bin und Iset meine Stelle eingenommen hat, dann ist sie ich. Damit ist dem Volk gegenüber die größtmögliche Beständigkeit garantiert. Genetisch sind wir ja sowieso identisch, so dass es noch nicht einmal eine Illusion ist. Die Vollendung liegt dann darin, dass die Göttin ihr Ka der Oberpriesterin überträgt. Und du kannst glauben, etwas Erhabeneres als diesen Moment habe ich noch nie erlebt.“
„Ja, das habe ich jetzt verstanden. Aber dass Du in zehn Jahre dein Leben freiwillig beenden willst, knn ich nur schwer begreifen.“
„Ich werde nur hier mein Leben beenden. Meine Seele und mein Geist lebt weiter. Du warst doch dabei, als wir in die Zwischenwelt gegangen sind. Dort waren wir nur mit dem Geist, nicht mit dem Ba, der Seele. Und so werde ich auch dereinst zuerst mit dem geit in die blaue Welt eingehen, dann wird das Ba nachfolgen und damit kann ich die Blaue Welt in die Oberwelt verlassen und bin dann bei den Göttern und gehe in ihren Gesamtgeist ein. Die Göttin ist ja keine Person, sondern ist etwas, was sich so nicht erklären lässt, ein Gesamtwesen aus dem Geist und den Seelen aller Vorfahren, und in das Wesen hoffe ich einzugehen. Aus dieser Oberwelt aber kann ich mit dem Geist jederzeit bei euch sein und wenn ihr mich mit dem richtigen Ritual ruft, können wir auch Kontakt miteinander aufnehmen und ich kann euch mit meiner, bzw. mit der Macht der Göttin helfen.
Die Liebe bleibt für immer, weil die Liebe das Prinzip ist, das den Fortbestand der Welt garantiert.
Liebe, das ist das eigentlich göttliche Prinzip. Auch wenn die körperliche Liebe, die ich immer sehr genossen habe, mir dann nicht mehr möglich ist, werde ich euch trotzdem immer weiterlieben, so wie ich die Liebe meiner Mutter und meiner Großmutter um mich herum ständig spüre. Und weil das so ist, hat mich Sinwe auch nicht zerbrechen können, denn die Macht der Liebe ist stärker als alles Böse.“
„Mama, ich glaube wir haben es verstanden, aber der Gedanke, bald schon ohne dich zu sein, ist irgendwie traurig.“
„Das ist nun mal der Lauf der Welt. In unseren Kindern leben wir weiter, und die Kinder sind unsere Zukunft, für die müssen wir Platz machen, damit sie dies Zukunft auch gestalten können. Wenn ich dereinst gehe, dann ohne Trauer, denn ich weiss, dass es sein muss und im gegensatz zu den gewöhnlichen Menschen weiss ich, wass dann kommt, und auch darauf freue ich mich. Das gleiche Schicksal trifft über kurz oder lang jeden von uns, auch das gehört zum Prinzip des Lebens!“
„So ist es.“ sagte Frank. „Wenden wir uns aber dem Diesseitigen zu. Iset, bestelle du bitte den Wagen, ich rufe de Kleine nach Hause.“
„Ja, mach ich!“ Damit griff sie schon zum Telefon und orderte den Transport, sowohl den „inländischen“ mit dem Pferdewagen bis zum Trenngebirge, dann den Geländewagen zum Hotel.
Frank drehte den Ring an seinem Finger so, dass er genau n eine der geschliffenen Flächen seinen Steines schaute und konzentrierte sich, bis das Blaue Licht hell leuchtete, dann rief er die kleine Iset: „Iset! Hier ist Frank, könntest Du bitte zurückkommen, wir wollen wieder ans Meer zurück!“
Sofort erschien das geistige Abbild von Iset in seinem Kopf: „Hallo Frank! Wir sind schon auf dem Rückweg, Ich habe gar nicht gewusst, wie doof Falken sind. Man kann mit ihnen kein vernünftiges Gespräch führen. Sobald irgendwo was flattert, denken sie nur noch an Fressen. Und wenn eine Falkenfrau mit den Hüften wackelt, wollen sie vögeln. Na, ja sind eben Vögel. In zehn Minuten bin ich zuhause. Ich habe Hunger wie ein Wolf, sagst du das bitte Nefer-Neferet? Sie weiß schon, was ich am liebsten mag!“
Frank rief nach Nefer-Neferet, die sofort zur Stelle war, fast, als hätte sie schon hinter der Tür gewartet. Frank gab die Worte der Kleinen weiter, wie er sie verstanden hatte und Nefer-Neferet schmunzelte. „Am liebsten hätte sie Pommes und Coca-Cola. Aber das haben wir nicht. Ich werde aber schon was für sie finden. Die Kleine ist ein bemerkenswertes Mädchen, das man einfach nur liebhaben kann!“
Iset senior war zufrieden, dass sie alles in ihrem Sinne geregelt hatte und packte schon ihre Tasche zusammen. Sie wollte den Besuch im Grab ihrer Vorfahren schon in der nächsten Nacht durchführen. Dann bestellte sie den Wagen für die Abendstunde. Kaum hatte sie den Hörer aufgelegt, hörte sie schon ein fröhliches „Hallo“ im Flur und sie spürte die Gedankenströme von Nebet-Hut. Mir einemmal fiel alle Last und Würde ihres Amtes vo ihren Schultern, uns sie war nur noch Mutter, die hinaussstürmte, um ihre Tochter herzlich zu umarmen und willkommen zu heißen.
„Hallo mein Schatz! War der Kongress anstrengend?“
„Ach, es ging eigentlich. Sie tippte sich an den Hinterkopf: „Da habe ich alles Wissen der modernen Medizin jetzt gespeichert, und ich hoffe, dass ich damit unserem Volk zu Diensten sein kann!“
„Nebbie, wir haben über deinen Kopf hinweg einige Entscheidungenfür dich mitgetroffen. Frank und Iset sind gerade hier, weil sie ihren Urlaub kurz unterbrochen haben. Ich möchte mit Iset aber kurz alleine nochmal weg und Frank fährt mit der Kleinen gleich wieder ans rote Meer. Sie würden dich dann an Isets Stelle mitnehmen, wenn du magst. Wie ist es?“
„Kommt etwas überraschend, aber mach ich gerne. Du weisst, dass ich für Frank eine Schwäche habe, und er wird dann nicht vor mir sicher sein!“ Sie grinste breit bis zu den Ohren.
Frank war inzwischen dazugestoßen und hatte die Worte Nebbies gehört.
„Liebste Schwägerin, von dir lass ich mich gerne verführen, zumal Iset ohnehin alles mit dir teilt. Lass Di erstmal begrüßen!“ Damit umarmte er sie stürmisch und sie küssten sich wie ein Liebespaar, das sich lange nicht gesehen hat.“
„Deine Küsse sind die leckersten, die ich je geschmeckt habe“ sagte Nebet-Hut als sie sich wieder voneinander getrennt hatten, da will ich gerne die Vertretung meier Schwester übernehmen!“
In diesm Moment kam auch der kleine Iset dazu und strahlte, als sie Nebet-Hut erblickte: „Hallo Tante Nebbie!“ und sie warf sich ihr in die Arme, „Schön, dass du wieder da bist! Ich hab ja Soooo viel zu erzählen!“ und sie machte mit den Armen eine ganz weit ausladende Geste.
Frank brachte sie ganz schnell auf den Stand der Beschlüsse, die sie gerade gefasst hatten: „Du, Iset, Wir fahren gleich wieder ans Rote Meer, da kannst Du deinen Tauchkurs fertig machen. Deine Mama bleibt aber hier bei Oma, sie müssen etws erledigen, was nur sie zusammen können, und stattdessen fährt Tante Nebbie mit uns ins Hotel. Wir geben sie dort einfach als deine Mutter aus.“
Iset rümpfte die Nase „Ich finde das toll, wenn Tannte Nebbi mitkommt. Aber ich bin nicht einverstanden, dass wir deswegen lügen sollen. Das ist gegen mein Prinzip.“ Fast hätte sie noch zur Bekräftigung mit dem Fuß aufgestampft, aber ihre Worte waren auch so schon bestimmt genug, dass Frank beeindruckt war.
„OK. Du hast recht. Ich finde es prima, wenn du so konsequent bist. Ich habe aber auch nicht gemeint, dass wir lügen sollen, sondern ich dachte nur, wenn keiner fragt, dass wir deren Irrtum nicht aktiv korrigieren, denn rein äußerlich merken die es ja nicht. Wenn wir gefragt werden, sagen wir einfach wie es ist, ja?“
„Gut, damit kann ich gerade so leben. Aber wenn jemand sie als Iset anspricht, dann wird sie den Irrtum doch aufklären?“
„Dann ja. Aber man wird sie als Frau El-Masri ansprechen und das stimmt ja auch.“
„Und wie ist es, wenn jemand sie als deine Frau bezeichnet?“
„Dann werde ich sagen: wir sind nicht verheiratet, sondern leben nur so zusammen!“
„Gut, das kann man wohl durchgehen lassen!“
Frank staunte selbst, dass er mit dem jungen Mädchen ein moralischen Grundsatzgespräch über Lüge und Wahrheit führte, aber er sah die Wichtigkeit selbst ein, denn er wollte die Wertevorstellungen der Kleinen nicht gefährden. Er war von der moralischen Festigkeit der Kleinen tief beeindruckt und im Geiste tadelte er sich selbst, wie leicht es ihm gefallen wäre, die Verwechslungskomödie durchzuziehen, auch wenn er dabei die Unwahrheit hätte sagen müssen. Wie sehr war er doch Produkt seiner Erziehung, in der kleine Lügen als lässliche Sünden angesehen wurden und über die man gar nicht weiter diskutierte. Irgendwie schämte er sich vor der Kleinen, die offenbar ein ehrlicheres moralisches Grundgerüst hatte als er selbst und er nahm sich vor, in Zukunft stärker darauf zu achten.
--------------Fortsetzung folgt---------------