KAPITEL 29. Ralf erzählt:
Am darauffolgenden Wochenende sitze ich im Auto nach Süden.
Die vergangenen drei Tage hat Silke mich mit dauernden Anrufen traktiert.
Ich habe alles abgewimmelt. Normalerweise mache ich das nicht.
Aber unter diesen Umständen!
Ein bisschen tut es mir leid, aber irgendwann wird die kleine Speckmaus es schon schnallen, daß es nur eine Eintagsfliege war.
Ich habe mir vorgenommen erst mal Stillschweigen über das Angebot zu wahren. Nur meine Geschwister will ich umfassend informieren.
Schon am Ortseingang kommt mir der fast vergessene Geruch nach Mist und Gülle in die Nase.
Es hat sich im Dorf fast nichts verändert. Die Kirche, mit dem kleinen Friedhof. Hier liegen die Eltern. Im Zentrum der alte mittelalterliche Brunnen. Unser Treffpunkt in an den langen Nachmittagen nach der Schule, und später dann mit den Mopeds.
Nur der Dorfkrug sieht von außen völlig schwarz aus, und der Eingang ist vernagelt. Da hat es wohl gebrannt.
Da wir miteinander telefoniert haben, ist meine Ankunft für meinen Bruder keine große Sache. Losen Kontakt haben wir über die Jahre immer gehalten.
Nach ein bisschen Small Talk und den Neuigkeiten meinerseits beschließen wir noch was trinken zu gehen.
„Hier wird das nichts heute. Vor ein paar Monaten hat´s im Krug gebrannt. Wir müssen rüber ins Nachbardorf in den „Adler“.“
„Ok. Mit meinem oder deinem?“
„Ich denke wir nehmen besser den Pickup. Damit kommen wir zurück über die Felder.“
Früher haben wir das auch immer gemacht, wenn wir einen geladen hatten.
Er grinst mich an.
„Weißt du wer dort bedient?“
„Woher denn.“
„Die Sennleitner Henni.“
Tief in mir zuckt etwas zusammen.
„Was, die schöne Henni? Die ist doch damals auch weg. Auf eine Sportschule. Sportmedizin oder so was.“
„Tja, das war einmal.“
Mein Bruder konzentriert sich aufs Fahren während ich in meinen Erinnerungen krame.
Henriette Sennleitner, der unerreichbare Traum aller Jungen.
Schon wenn wir ihren ausgefallenen Namen sagten, schwollen uns die Eier an.
Heriette!
Sie war ein Jahr über mir und drei Jahre über meinem Bruder.
Groß, rotblond, mit grünlich schimmernden Augen. Man musste sie einfach anschauen, mit ihrer schlanken und doch athletisch wirkenden Statur.
Und dann hatte sie diesen aufreizenden Gang, der manchen Mädchen einfach angeboren ist. Es sah immer aus als drückte sie ihren schicken, runden Hintern extra weit heraus und als Gegenstück die üppig entwickelten, vollen Brüste.
Sie wusste natürlich, wie sie auf uns wirkte, und setzte sich wo es ging in Szene. Aber interessiert hat sie sich nur für die älteren Jahrgänge, was ich aus heutiger Sicht auch verstehen kann.
„Wollt ihr einen Pfennig gewechselt haben“, zischte sie uns manchmal zu, wenn sie an unserer glotzenden Meute vorbeistolzierte.
Wenn sie an Sportfesten vorturnte herrschte immer gespannte Aufmerksamkeit. Ich höre noch immer wie ihre straffen Waden oder Schenkel auf die Holme des Stufenbarrens knallten, sie dann mit einem Salto abging und mit rausgestrecktem Hintern und Titten wie eine Eins auf der Matte landete.
Ich war wahnsinnig verliebt in sie, und alle meine Gedanken kreisten um das eine Problem: Wie komme ich an sie ran!
Ein Ding weiß ich noch wie heute.
Elfte Klasse. Sommer.
Ich stand vorne auf dem 5 Meter Turm und zögerte. Kopfsprung oder Kerze.
Da erschien Henni auf der Plattform. Sie sah so umwerfend fraulich aus, in ihrem hautengen, glänzenden Badeanzug, obwohl sich an ihren Armen und Beinen fast männliche Muskelpakete abzeichneten.
„Na, Schisser, traust dich wohl nicht?“
Ohne mich weiter zu beachten ging sie zur Kante, machte einen Handstand und verschwand wie ein Pfeil senkrecht nach unten.
Ich bin dann auch irgendwie gesprungen.
Das war so deprimierend, dass ich es mir bis heute gemerkt habe.
Im Herbst war sie dann weg auf ihrer Sportschule.
Ich glaubte damals es wäre die Liebe meines Lebens.
Als wir den „Adler“ betreten verstummt für ein paar Sekunden das Sprachgesumm und neugierige Blicke wenden sich uns zu. Dann ist alles wieder normal.
Im Hintergrund scheppert ein Blech und kurz danach brandet Gelächter auf.
Wir finden eine freien Tisch und warten auf die Bedienung.
Ich halte nach Henni Ausschau, kann sie aber nicht entdecken.
Eine dicke Kellnerin in ist am anderen Ende des Gastraumes mit einem Tablett Bier unterwegs und fängt an zu kassieren.
„Henni hat wohl heute frei“, spekuliere ich, meinen Bruder anschauend.
Der grinst nur.
„Nö, hat sie nicht“, und macht eine Kopfbewegung in den Raum hinein.
„Ist nicht dein Ernst! Die Dicke da hinten?“
Nickend grinst er mich an.
„Tja, warst lang nicht mehr hier.“
Die Dicke rauscht heran.
„Hajo, wie immer?“
„Zwei.“
Ich schaue sie wie gebannt an, und unsere Blicke begegnen sich.
„Sonst noch?“
Mechanisch schüttele ich den Kopf.
Mein Bruder grinst.
„Ralf, mein großer Bruder. Ihr müsstet euch noch aus der Schule kennen.“
„Ja mei, ist möglich. Ist lang her.“
Sie rauscht davon und kommt gleich darauf mit unseren zwei Maß wieder.
Ich spüre wie sie mich eingehend mustert.
„Zum Wohl.“
Wir klacken die Gläser aneinander und lassen es laufen.
Henni hat ein langes, grünes Dirndlkleid an, das ihr bis an die Knöchel reicht. Dazu eine weiße Schürze.
Aber der Hintern, der unter den Faltenrock abzeichnet, mu essnorm sein. Bei jedem Schritt bewegen sich die massigen Backen auf und nieder bis hoch an die Hüften.
Das Schürzenband ist unter einer dicken Speckrolle fast verschwunden, und ich kann nur mutmaßen welche Dimensionen ihr runder Bauch hat.
Aber ihr hübsches Gesicht hat sie behalten, wenngleich die Wangen voller und etwas teigiger sind als früher.
Nach der zweiten Maß drängt mein Bruder zum Aufbruch, doch ich habe noch keine Lust zu gehen. Im Gegensatz zu ihm muss ich nicht früh raus, und vielleicht kann ich doch noch ein paar persönliche Worte mit Henni wechseln.
Es interessiert mich schon, was mit ihr passiert ist.
„Also ich pack´s dann. Machst du das hier.“
Mein Bruder macht eine allumfassende Handbewegung.
Ich krame ich in meiner Jacke nach den Zigaretten und gehe ihm hinterher.
„Du kommst klar?“
„Immer.“
Brummend rollt der Pickup mit meinem Bruder aus der Parklücke und verschwindet in der Dunkelheit.
Nachdenklich sehe ich den Rücklichtern nach, als die Tür zum Gasthof erneut aufgeht und eine Schar Angetrunkener den „Adler“ verlässt.
Es ist kurz vor der Sperrstunde.
Henni steckt den Kopf durch die Tür.
„Kommt noch was? Schankschluss in 5 Minuten.“
„Noch einen Kurzen und ´ne Halbe. Ich komme gleich.“
„Ist der Hajo schon weg?“
Ich nicke.
„Der muss früh raus. Die Viecher.“
Ich gehe ihr nach und setze mich wieder.
Sie kommt mit der Bestellung und legt mir die Rechnung hin.
Ist das jetzt Absicht, dass sie sich soweit vorbeugt?
Ich habe jedenfalls einen vorzüglichen Blick in ihr üppiges Dekolletee, in dem sich zwei herrlich große Brüste drängen, passend zu ihrer Gesamterscheinung.
Ich zahle gleich und gebe ihr ein ordentliches Trinkgeld. Sie sieht mich aber nur kurz an, bedankt sich und verschwindet wieder hinter der Theke.
Durch die offene Durchreiche kann ich sehen, wie sie sich eine Zigarette anzündet und einen Schnaps kippt. Anschließend folgt noch eine Halbe auf ex.
Da denke ich mir schon meinen Teil.
Das über die Jahre. Das bleibt nicht ohne Folgen, wie man leicht sieht.
Ich trinke aus und verlasse den „Adler“ Richtung Bushäuschen. Ganz sicher bin ich nicht mehr auf den Beinen, also parkte ich auf der Bank und zünde mir noch eine an.
So langsam wird mir arschkalt. War wohl doch eine blöde Idee zu bleiben.
Als ich noch überlege, was ich am besten mache, kommt Henni angeradelt und hält an.
„Was wird das hier?“
„Ich warte auf den Bus.“
„Bis morgen früh um acht? Dann bist du erfroren, so wie du jetzt schon ausschaust. Depp.“
Hilfesuchend blickt sie sich um, und scheint zu überlegen.
„Also nur weil du Hajos Bruder bist! Komm mit.“
Verkrochen in meinen dünnen Mantel tappe ich ihr hinterher.
Nach zwanzig Minuten sind wir da und betreten ihre Wohnung.
„Hier kannst du dich hinhauen.“
Sie deutet auf ein breites Sofa und wirft mir eine Decke zu.
„Und morgen früh bist du weg. Die Wohnungstür einfach zuziehen.“
Ich murmele noch ein Dankeschön, pelle mich aus dem Mantel und bin, vom Alkohol benebelt, nach wenigen Minuten eingeschlafen.