Miss Rupprecht und Gefolge
© 2016 BeKoma
Ertappt
Was macht ihr da?
Mein Schädel pochte an der Stelle, wo mir René ein Horn verpasst hatte, mein Dingenskirchen parkte noch in Beates Garage und mein Kleinhirn signalisierte mir mit hämischen Unterton Überraschung!.
Beate tauchte langsam aus den Tiefen ihres Höhepunktes auf. Ich dachte, du schläfst ganz fest, mein Schatz.
Ihr wart so laut. Hosse konnte nicht mehr schlafen
Das tut uns leid. Wir wollten euch nicht wecken.
Nun drehte ich meinen Kopf in Richtung Nachthemd tragende Tochter mit Grautier und hatte eine Erscheinung mit inquisitorischem Blick.
Wie lange guckst du uns denn schon zu?, wollte Beate wissen. Eine sehr interessante Frage.
Seit du von Papa heruntergeklettert bist.
Oh Gott! Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass wir nicht erst zum Finale lauter geworden waren. Aber wenn es stimmte, dass Patricia die letzten Minuten schon in der Tür gestanden hatte, hatte sie viel mehr mitbekommen als uns lieb sein konnte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit meine Erektion und auch, dass ich in Beate eingedrungen war. Nicht unbedingt die Bilder, die man seiner fünfjährigen Tochter zumuten sollte.
Komm mal her, meine kleine Prinzessin, meinte Beate und schlang ein Bein um meine Hüften, um mich an Ort und Stelle zu fixieren. Setz dich mal hier hin. Patrizia war sehr folgsam. Mama und Papa haben sich sehr lieb und Erwachsene zeigen sich das so.
Hm.
Ich sah meiner Tochter an, dass die Antwort nicht reichen würde, um sie zufriedenzustellen. Papa hat seinen Piephahn in deine Mumu gesteckt, stellte sie fest. Tut das nicht weh?
Weißt du, meinte meine Göttergattin, da, wo Papa seinen Piephahn hereingesteckt hat, da bist du einmal heraus gekommen. Ungläubig guckte Patricia erst Beate und dann mich an. Wenn du größer wirst, dann wächst auch deine Mumu. Dann geht das sehr gut.
Dann tut das nicht weh?
Nein, dann ist das sogar sehr schön.
Hm.
Ich erwartete die nächste Killerfrage, aber Beate kam ihr zuvor: Kleine Mädchen sind dafür noch nicht gemacht. Das dauert bei dir noch ein paar Jahre.
Und dann?
Dann wirst du langsam eine Frau.
Und dann?
Das erzähle ich dir mal, wenn wir beide allein sind. Jetzt ist es Zeit, schlafen zu gehen, brach Beate das Gespräch ab. Geh schon mal ins Bett. Ich komme gleich noch einmal vorbei und decke dich zu. Gib Papa noch einen Kuss.
Mit Beate wollte ich nicht tauschen. Das Mutter-Tochter-Gespräch würde sicherlich länger dauern und nicht eher enden, bis Patricia alles erklärt bekommen hatte, was sie wissen wollte.
Glücklicherweise trollte sich Patricia, auch wenn sie sicherlich gerne sofort ihre Antworten gehabt hätte.
Als sie aus dem Zimmer war, atmeten wir beide erleichtert durch. Dann schubste Beate mich von sich herunter. Ich mache mich schnell im Bad fertig und gehe noch einmal zu Patricia.
Gut, ich werde mich dann kurz einer Katzenwäsche unterziehen und hole meine Sachen aus dem Auto.
Sie knuffte mich in die Seite. Du hast von Anfang an auf eine Übernachtung spekuliert, du Schuft!
Ich war nur vorbereitet auf alle Eventualitäten, verteidigte ich mich schwach.
Beate blickte mich wissend an und ich fühlte mich entlarvt. Beeil dich! Nimm meinen Schlüssel mit. Mit einem Küsschen hüpfte Beate vom Sofa und schwenkte verführerisch ihre Hüften.
Solange das Wasser im Bad lief, räumte ich ein bisschen auf. Dann hörte ich, wie Beate leise mit Patricia redete und flitzte blitzschnell über den Flur. Nach provisorischer Reinigung schlüpfte ich noch einmal in meine Sachen und holte die Tasche aus dem Wagen.
Fast genauso schnell machte ich mich dann endgültig fertig für die Nacht und schlüpfte bei meiner Krankenschwester unter die Bettdecke.
Wie wars bei Patricia?, fragte ich Beate, während sie sich bei mir ankuschelte.
Nachdenklich antwortete sie mir, dass Patricia das Gesehene wohl ganz gut verkraftet habe, aber natürlich noch Fragen hätte, die wohl an das Gespräch anknüpfen würden, das Beate in Erklärung ihrer Treffen mit René abgegeben habe.
Sie wird mehr Details wissen wollen.
Und?
Was und?
Was wirst du sagen?
Keine Ahnung. Nicht mehr als nötig.
Beate löschte das Licht und legte ein Bein über meinen Oberschenkel. Dann spürte ich ihre Lippen an meinem Hals und ihre Hand tastete eindeutig nach Papas Piephahn. Viele Worte fielen nicht. Mein Weibchen war immer noch wuschig und überzeugte mich sehr bestechend zu einer Zugabe. Dieses Mal passten wir mehr auf und bekamen auch keinen nächtlichen Besuch mehr.
Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich mit dem Versprechen, mich so bald wie möglich wieder blicken zu lassen.
So lonely
Zuhause guckte ich gleich in meinen Terminkalender, fand aber in den folgenden zwei Wochen keine ausreichend große Lücke. Weil aber auch die Wochenenden mit langfristigen Terminen verplant waren, gab es ziemlichen Zoff am Telefon.
Ziemlich regelmäßig telefonierten wir spätabends, aber bei diesen Gelegenheiten merkte ich, dass Beate reichlich angesäuert war. Sie erzählte mir von ihrem Gespräch mit Patrizia. Alles sei gut gelaufen. Unsere Kleine hatte aufmerksam zugeguckt und stellte wohl sehr konkrete Fragen. Was das im Einzelnen war, verriet Beate mir nicht. Aber neben ihrer verständlichen Wut auf mich als Rabenvater, fühlte ich, dass da noch etwas anderes im Busch war.
Als ich eines Abends nicht anrufen konnte, holte ich es anderntags gegen Mittag nach.
Hallo Beate!
Oh, hallo Stefan. Sie hörte sich außer Atem an.
Störe ich? Ich wusste, dass Patrizia noch in der Kita sein musste und normalerweise machte Beate den Haushalt um diese Zeit.
Um ehrlich zu sein, passt es mir im Moment nicht. Ich ruf dich später an, ja?
Da war was oberfaul. Sämtliche Alarmglocken sprangen an, aber was sollte ich sagen?
Sie erreichte mich auf dem Handy, als ich spätabends mit dem Auto auf dem Heimweg war. Zum Glück konnte ich mit dem Wagen am Straßenrand halten.
Stefan ... Sie schluckte.
Was ist los?, fragte ich besorgt.
Ich will dich nicht belügen. Ich habe mich vorletzte Woche mit René getroffen, um mich mit ihm nach dem Vorfall neulich auszusprechen.
Mir schwante nichts Gutes, was sich gleich drauf aufs Heftigste bestätigte.
Ich war bei ihm. Wir hatten Sex. Ein paarmal seither.
Ich sagte nichts und war nur froh, dass ich nicht gerade mit hundertachtzig auf der Autobahn unterwegs war. Der nächste Brückenpfeiler wäre mir gewesen. Meine Gedanken rasten.
Das hat nichts mit uns zu tun. Du weißt, dass ich dich liebe.
Wie abgedroschen sich diese Phrase aus ihrem Mund anhörte! So also fühlte sich das an, wenn man betrogen wurde. Mir fehlten zunächst die Worte.
Unsere Liebe ist doch etwas ganz Besonderes
Nun explodierte ich: So nennst du das also, wenn du gleich nach einem Streit wegen meiner angestrengten Terminlage zu deinem Ex-Liebhaber fährst und dich von ihm durchvögeln lässt.
Stefan! So war das nicht.
Wie dann?
Ich bin zu ihm gefahren, um das ein für allemal zu beenden, aber ich war so sauer auf dich. Er beruhigte mich und da ist es passiert.
Super, meinte ich sarkastisch. Und weil du danach immer noch sauer auf mich warst, hast du das gleich noch ein paarmal wiederholt? Das klang ziemlich verbittert und genauso fühlte ich mich auch.
Was willst du hören? Die Wahrheit ist, dass ich Lust auf Sex hatte und es mir nicht immer selbst machen will, weil du nicht da bist. Aber verdammt noch mal, ich liebe nur dich.
Und jetzt? Was erwartest du jetzt von mir? Dass ich das einfach so zur Kenntnis nehme oder dir freien Herzens vergebe? Ehrlich, im Moment kann ich das nicht.
Stefan ...
Ich kickte Beate aus der Leitung. Das musste erst einmal sacken. War Beate eigentlich noch normal oder hatte ich einen an der Waffel? Wie sollte ich das verstehen? Sie liebt mich, braucht aber ihren Sex und weil sie gerade mit René Schluss machen will, lässt sie sich von ihm ficken?
Essen mit Tiffany
Die nächsten Tage war ich ziemlich durch den Wind. Mir wollte Beates Verhalten einfach nicht in den Kopf. Irgendwie fehlte mir deswegen auch die Energie, an meinen Plänen für eine gemeinsame Zukunft mit ihr weiter zu feilen. Ich ging zur Arbeit und spulte mein Programm ab.
Über die elektronische Pinnwand meines Arbeitgebers erfuhr ich davon, dass an die Spitze des Personalressorts eine Frau gerutscht war, die ich vor ein paar Jahren auf einem Führungsmeeting kennengelernt hatte. Tiffany hatte ihren Einstieg in den Konzern mit einem dualen Studium gemacht und ich war von ihr als Frau und Kollegin echt begeistert.
Deswegen rief ich sie auch gleich an, um ihr zu gratulieren.
Herzlichen Glückwunsch zum neuen Job, Tiffany! Da hat die Führungsetage wenigstens mal jemanden ausgesucht, der Ahnung hat.
Danke, Stefan. Ein bisschen Glück, die Frauenquote und die Firmenpolitik der Diversifikation haben wohl auch eine Rolle gespielt.
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht, aber das konnte durchaus sein, dass die Firmenlenker eine Schwarze mit amerikanischen Wurzeln taktisch clever ausgewählt hatten, um zu zeigen, wie offen das Unternehmen sei.
Mag sein, aber selbst, wenn es so ist, freue ich mich für dich.
Das ist lieb von dir. Wollen wir nicht mal mittags etwas essen gehen?
Wir fanden gleich für den nächsten Tag einen Termin.
Sie kam mich abholen. Meiner Sekretärin sagte ich, dass ich eine Stunde weg sein würde, was sie irgendwie verschnupft zur Kenntnis nahm.
Lässt du ihr das durchgehen?, fragte mich Tiffany interessiert.
Monika ist fleißig und tut alles, um mir meine Arbeit zu erleichtern.
Gutes Personal ist schwer zu bekommen, antwortete Tiffany mitfühlend.
Wer sitzt denn in deinem Vorzimmer?
Der alte Drache meines Vorgängers, grinste Tiffany.
Ich dachte, du hättest dir einen hübschen Bengel geholt.
In drei Jahren geht sie in Rente. Bis dahin werde ich es wohl aushalten.
Mich wunderte es nicht, dass wir von der Kollegenschar in der Kantine neugierig gemustert wurden, denn Tiffany war schon ein echter Hingucker. Selbst unter den klassisch-schlichten Kostümen, die sie immer trug, konnte Mann ahnen, welche Kurven da textil bedeckt wurden.
Männer!, lachte Tiffany, als ich sie darauf hinwies, und bediente sich am Salatbuffet, während ich mir das Putengeschnetzelte auf den Teller lud.
Wir fanden einen Platz, der ungestörte Gespräche ermöglichte.
Was sagt dein Freund dazu, mit einer so erfolgreichen Frau zusammen zu sein?
Läuft ganz gut mit Karl. Die Geschichte dazu erzähle ich dir ein anderes Mal. Und bei dir?
Wie meinst du das?
Du siehst bedrückt aus. Abstreiten nutzt nichts. Einer Psychologin entgeht das nicht.
Ich streite nichts ab.
Also?
Also was?
Was bedrückt dich?
Von meiner Scheidung wusste Tiffany, weil sie es mir damals an der Nasenspitze angesehen, mich ausgequetscht und anschließend mit wirklich guten Ratschlägen versorgt hatte.
Ich bin dabei, die Sache mit Beate neu anzugehen, versuchte ich möglichst vage zu bleiben.
Was hindert dich daran?
Tiffany blickte mir direkt in die Augen und stopfte sich ein Blatt Grünzeugs in den Mund, was bei mir seltsame Assoziationen auslöste, die nicht im Entferntesten mit Nahrungsaufnahme zu tun hatten.
Mein Job und meine Frau.
Deine Ex-Frau?
Sie ließ nicht locker.
Okay. Ich habe Beate im Urlaub getroffen und danach noch einmal. Wir wollten es halt noch einmal probieren.
Und jetzt will sie nicht mehr?
Doch. Sie sagt sogar, dass sie mich liebt.
Und wo ist jetzt der Haken?
Sie trifft sich mit einem anderen Kerl. Sie hätte es satt, immer auf mich zu warten.
Ein weiteres Salatblatt verschwand zwischen ihren geschwungenen Lippen.
Und du? Triffst du dich mit anderen Frauen?
Nein.
Aber du hast regelmäßig Sex?
Du bist ganz schön neugierig. Ich frage dich auch nicht nach deinem Liebesleben.
Darauf ging sie gar nicht erst ein. Weißt du, ich lese immer noch regelmäßig psychologische Fachzeitschriften. Neueste Untersuchungen belegen, dass Männer in deinem Alter mit ein bis zwei Orgasmen pro Tag am ausgeglichensten sind.
Aha. Und wie sieht die Zahl für Frauen um die Vierzig aus?, fragte ich Tiffany, um sie zu provozieren.
Kommt darauf an: Zwischen ein bis zweimal die Woche bis zu dreimal am Tag kann die Bandbreite liegen. Ich persönlich neige zu den höheren Zahlen.
Schnell stopfte ich mir einen Bissen in den Mund, um Zeit zu gewinnen. Selbst mit festem Freund bedeutete das wohl, dass Tiffany selbst Hand anlegte, was sie mir ohne Umschweife bestätigte.
Manchmal, nach anstrengenden Meetings, muss es sogar hier sein. Aber du kannst mir glauben, dass es nicht die einzige Möglichkeit ist.
Mir war das Thema am Mittagstisch zu heikel, weswegen ich das Gespräch in der Folge auf dienstliche Belange lenkte.
Wenn du Unterstützung brauchst, ruf mich einfach an, bot ich ihr zum Schluss an. Ich meinte natürlich ihre Karriere.
Werde ich machen. Du aber auch, erwiderte sie mit einem vielsagenden Lächeln.
Schwamm drüber und drunter
Ihr Lächeln und ihre freizügigen Worte verfolgten mich wie ein Echo. Obwohl ich Tiffanys wissenschaftliche Berichte für ein Produkt ihrer Fantasie hielt, verfehlten sie ihre Wirkung nicht.
Als ich am Freitagabend nach Hause kam, war ich total geschafft von der Woche. Ich ging hoch auf mein Zimmer, hängte meinen Anzug über einen Bügel und warf den Rest in den Wäschekorb. Dann legte ich mir frische Klamotten zurecht und ging unter die Dusche.
Das warme Wasser tat gut und löste die Verspannungen im Nacken. Langsam drehte ich die Temperatur höher, bis ich in einer heißen Wolke aus Dampf stand, und schloss die Augen. Die Tropfen prasselten auf meinen Körper und ich hielt mein Gesicht hinein. Ich spürte, wie der Druck in meinen Schläfen nachließ und ich mich ganz allmählich entspannte.
Nach einer Weile nahm ich das Duschgel und drückte etwas Tubeninhalt auf einen Naturschwamm. Zuerst seifte ich meine Arme und den Oberkörper ein, dann kamen die Beine dran. Zum Schluss wurden meine Kronjuwelen samt Zepter gereinigt.
Mit einer Hand hielt ich den Zipfel hoch, mit dem Schwamm in der anderen schäumte ich den prallen Beutel darunter ein. Ein leichtes Ziehen sendete schwache Lebenszeichen meiner Lenden. Ich machte meine Augen zu und fühlte in mich hinein. Augenblicklich sah ich Tiffanys sinnliche Lippen. Neueste Untersuchungen ... Manchmal, nach anstrengenden Meetings, muss es sogar hier sein.
Weitere Erinnerungsfetzen kamen: Andrea im Pool, nackte Haut, Brustwarzen, Bauchnabel, gespreizte Beine, Beate in der Dusche ...
Der weiche Schwamm umschloss meinen Penis, ich keuchte entsetzt, als ich bemerkte, was ich gerade tat. Es fühlte sich so gut an. Ich konnte nicht aufhören.
Neue Bilder ... Ginas Brüste umschlossen meine Zimtstange, Marias kreisende Finger an ihrer Perle, Florentines kleine Narbe, das magische Dreieck ...
Ich stützte mich an den Fliesen ab.
Hotelbett, Strand, Liegestuhl auf der Veranda, eine kleine Studentenbude, ein Bierkeller ...
Gut, so gut ... Lecken, Nippel, Muschis, Salz, Nektargeschmack auf meiner Zunge, Duft von weiblicher Begierde, Stöhnen, Stoßen, Saugen ... Ahh! ... Spritzen, druckvoll, tief ... Erlösung
Der Orgasmus brach aus mir heraus. Mein Sperma landete an der Duschwand und zog zähflüssige Fäden. Fassungslos erleichtert stand ich auf zittrigen Beinen und sah, wie der Leim meiner Lenden sich langsam seinen Weg suchte.
Was war das denn gewesen? Fast glaubte ich Tiffany lachen zu hören: Manchmal, nach anstrengenden Meetings, muss es sogar hier sein.
Mein Gott! Auf was für einen Trip war ich nur gekommen? Ich benahm mich wie ein Pennäler. Mich plagten tatsächlich Schuldgefühle. Dabei brauchte ich weder mit einer Entdeckung zu rechnen, noch musste ich irgendwem Erklärungen geben.
Zoobesuch
Inzwischen war der November gekommen und Patricia hatte ihr kluges Köpfchen durchgesetzt, mit ihrem Papa an einem Samstag etwas zu unternehmen. Ich holte sie ab, um mit ihr in den Zoo zu fahren.
Willst du nicht herein kommen?, fragte mich Beate, als ich vor ihrer Tür stand.
Danke, nein.
Mensch, Stefan. Lass uns doch wie erwachsene Leute miteinander reden.
Ich wüsste nicht worüber. Du kommst doch prima mit deiner Art zu leben klar. Jede Wette, dass du unseren Ausflug nutzen wirst.
Beate sah mich an, als suche sie irgendetwas in meinen Augen. Dann schüttelte sie traurig den Kopf Kann schon sein.
Schön, dann hätten wir das ja geklärt. Kommt du, Patrizia?
Die Kleine hüpfte wie ein Gummiball auf einem Bein durch die Diele, wurde von ihrer Mama fertig angezogen und mit einem Kuss verabschiedet. Zu mir meinte Beate, dass sie sich im Laufe der Woche melden würde.
Kaum hatten wir uns angeschnallt, da platzte es aus Patricia heraus: Magst du Mama nicht mehr?
Ich setzte den Blinker und fädelte mich in den Verkehr ein. Doch, ich werde Mama immer sehr lieb haben, aber es ist nicht so leicht. Manchmal machen Erwachsene Sachen, die dem anderen sehr wehtun.
Sie nickte, als ob ich ihr nichts Neues erzählte. Es ist bestimmt wegen René, oder?
Ja, auch.
Mama trifft sich mit ihm, wenn ich in der Kita bin.
Ich nickte. Immer?
Nicht immer, aber ich merke es. Dann macht sie sich immer besonders schick.
Das schlug dem Fass den Boden aus! Während meine Tochter sich auf ihr späteres Schulleben vorbereitete, stieg ihre Mutter vormittags zu ihrem Geliebten ins Bett. Dabei also hatte ich Beate gestört, als ich sie neulich mittags angerufen hatte. Wahrscheinlich hatte sie ihn gerade geritten, und als das Telefon geläutet hatte, hatte sie René zum Stillhalten verdonnert, während sie das Gespräch entgegennahm. Ich hätte kotzen können!
Mama sagt, dass es ihr guttue, aber ich glaube ihr nicht. Sie ist abends oft so traurig, wenn sie auf deinen Anruf wartet.
Es dauerte eine Weile, bis wir den Zoo erreichten und ich einen Parkplatz fand. Währenddessen fragte ich Patricia aus, wie es ihr in der Kita gefalle, was sie mit ihren Freundinnen mache und ob sie sich auf die Schule im nächsten Jahr freue.
Im Zoo selbst mussten wir uns alle Tiere anschauen und Patricia las langsam und stockend die Erklärungen, die auf den Tafeln vor den Gehegen angebracht waren. Ich staunte ehrlich, wie gut sie es schon konnte und lobte sie immer, wofür ich einen Strahlefix bekam, der sämtliche düstere Wolken vertrieb.
Patricia wollte unbedingt zu den Menschenaffen und zog mich unbarmherzig zu dem Haus, in dem sie untergebracht waren. Die Gorillas machten ihr ein bisschen Angst, die Orang-Utans fand sie seltsam mit ihren langen rotbraunen Haaren. Ich erklärte ihr, dass ihr Name Waldmensch bedeute, weil sie richtige Familien hätten. Schließlich standen wir vor den Bonobos.
Guck mal, Papa! Ich folgte ihrem Zeigefinger und ahnte schon, was kommen würde. Die machen das Gleiche wie du und Mama.
Die erwachsenen Zoobesucher um uns herum guckten amüsiert und ich wünschte mir, dass Scotty mich hochbeamte.
Das sagt man nicht.
Warum?
Weil das nur Mama und Papa was angeht, stotterte ich.
Ich sorgte dafür, dass wir schnell Land gewannen. Was hältst du von einer schönen Tasse Kakao?
Damit konnte ich sie kriegen, aber Patricia hatte wohl kombiniert, dass sie ins Fettnäpfchen getreten war. Bist du jetzt böse mit mir?
Nein, du kannst das ja nicht alles wissen, sagte ich etwas bedröppelt.
Tut mir leid.
Ist schon gut.
Macht Mama das eigentlich auch mit René?, bohrte sie unbeabsichtigt in meiner offenen Wunde.
Ich weiß es nicht, log ich halbherzig.
Hat sie denn René auch so lieb wie dich?
Ich kann es dir nicht sagen, aber Mama mag es halt sehr, wenn ihr jemand so zeigt, dass er sie lieb hat, und Papa ist nicht oft genug da.
Das ist blöd, stellte Patricia fest und ich gab ihr Recht. Warum kommst du nicht einfach öfter vorbei?
Papa muss viel arbeiten.
Warum?
Weil ich doch Geld für dich und Mama verdienen muss.
Inzwischen war der Kakao eingetroffen und Patricia pustete in die heiße Tasse hinein.
Wenn Mama und ich fleißig sparen, dann musst du doch nicht mehr so viel arbeiten. Dann hättest du auch mehr Zeit für Mama und sie brauchte nicht immer diesen René treffen.
Ich weiß nicht, ob es so einfach ist, aber ich gucke, dass ich bald etwas weniger arbeiten muss.
Wann ist bald?
Das kann noch etwas dauern, seufzte ich. Ich hatte zwar inzwischen meine Finanzen sortiert, aber es würde nicht reichen, wenn ich nur noch die Hälfte verdienen würde. Genau da lag der Knackpunkt. Es musste eine Alternative zu meinem jetzigen Job gefunden werden, die fast genauso lukrativ, gleichzeitig aber mit geringerem Zeitaufwand verbunden war.
Plötzlich fiel mir etwas ganz anderes ein: Tust du mir einen Gefallen?
Was denn?, fragte Patricia neugierig.
Bald ist doch Weihnachten, und da möchte ich Mama ein schönes Geschenk machen. Vielleicht kannst du ja herausfinden, was sie sich wünscht. Und deinen Wunschzettel brauche ich auch noch.
Okay.
Nach all den Abenteuern war sie völlig erschöpft und ich brachte Patricia nach Hause. Ich wollte gar nicht mit hoch, aber meine Tochter bestand darauf, dass ich sie bis zur Wohnungstür begleitete. Widerwillig gab ich nach. Mir war nicht danach, Beate noch einmal unter die Augen zu kommen, aber es kam noch dicker als ich befürchtet hatte: Im Treppenhaus kam uns ein extrem entspannter René entgegen.
Na, da ist ja der kleine Schatz von Mama, begrüßte er Patricia. Mich hingegen ignorierte er.
Patricia drehte sich wort- und grußlos zu mir um und gab mir einen Kuss. Besser hätte sie nicht zeigen können, was sie von René als Ersatzpapa hielt. Trotzdem stieg in mir der unbändige Wunsch hoch, diesem Arschgesicht in die Eier zu treten, und zwar diesmal so, dass er sie nie wieder gebrauchen konnte. Wäre Patricia nicht dabei gewesen, wer weiß, was dann passiert wäre.
Patricia jedenfalls nahm mich an die Hand und zog mich weiter die Treppe hoch. Ich musterte René im Vorbeigehen und fragte mich, was Beate an diesem Typen nur finden konnte. So nötig konnte sie es doch nicht haben, dass sie sich an diesen Kerl heranschmiss.
Wir schellten und Beate machte auch gleich auf. Ich konnte sehen, dass sie es mit ihm getrieben hatte. Ihr Haar war in Unordnung und das Makeup noch nicht wieder gerichtet. Mir wäre es lieber gewesen, wenn mir René einen in die Fresse gegeben hätte. Stattdessen traf mich ihr Anblick wie eine eiserne Faust in der Magengrube. Mein Herz krampfte und mir wurde übel.
Machs gut, Patricia, und denk an mich.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte ich mich auf dem Absatz um und ging. Beate machte keinen Versuch mich aufzuhalten.
Besoffen
Daheim tat ich etwas, was sonst nicht meine Art ist: Ich betrank mich und wählte dazu einen 25-jährigen Single Malt aus, den meine Haushälterin seit Jahren abstaubte. Was hatte das alles noch für einen Sinn? Wozu sollte ich mir den Arsch aufreißen? Beate trieb es mit diesem komischen Heini, der scheinbar unbegrenzt Zeit hatte. Ich war wütend auf Beate, auf René und mich. Vor allem auf mich.
Während ich mir erneut die jetzt schon halbleere Flasche nahm, um mein Glas zu füllen, klingelte das Telefon.
Ja?, lallte ich hinein.
Stefan, bist du das? Die Stimme kam mir diffus bekannt vor, aber ich kam nicht drauf.
Wer issen da?
Florentine.
Wassen für eie Flowentine?
Mein Gott! Du bist ja betrunken!
Binnich!, bestätigte ich die einzige Wahrheit, die in diesem Moment galt.
Was ist denn los mit dir? So kenne ich dich gar nicht.
Isch mich auch nich.
Ich habe keine Ahnung, wie es Floh gelang, aus meinem Genuschel überhaupt einen Sinn abzuleiten, aber immerhin brachte sie mich erst zum Reden und anschließend dazu, mich kalt abzuduschen sowie Vorbereitungen für mein Erwachen zu treffen und ins Bett zu gehen.
Als ich irgendwann in der Nacht zum Sonntag aufwachte, war mir dermaßen übel, dass ich erleichtert war, dass jemand eine Schüssel neben mein Bett gestellt hatte.
Das nächste Mal wachte ich auf, als eine milchige Sonne mein Gehirn mit Laserstrahlen bearbeitete. In der Schüssel war noch Platz, es kam aber nicht mehr als ein bisschen Galle.
Entkräftet von meinem Würgen krabbelte ich zum Fenster und ließ die Rollläden herunter. Unter dem Fenster schlief ich gleich wieder ein.
Gegen Mittag kam ich dann auf die Beine. Ich schaffte es ins Badezimmer und unter die Dusche. Wach sein bedeutete aber auch, sich einem ganz üblen Kater und dem Chaos, das ich geschaffen hatte, widmen zu müssen. Gegen dieses Untier gab ich mir eine Kopfschmerztablette und ungefähr einen halben Kasten Mineralwasser. Feste Nahrung konnte mein Magen erst gegen Abend wieder vertragen.
Abgesagte Nikolausfeier
Auch wenn ich mir gewünscht hatte, dass die Welt untergehen sollte, tat sie mir diesen Gefallen nicht. Stattdessen stieg ich am Montag wieder in die Tretmühle. Hin und wieder traf ich Tiffany in der Firma auf dem Flur, aber außer etwas Smalltalk tat sich nichts. Ihr Gesichtsausdruck ließ aber darauf schließen, dass sie mich durchschaut hatte. Da der Ball aber in meiner Hälfte lag, verkniff sie sich jeden Kommentar.
In den nächsten beiden Wochen rief mich hin und wieder Patricia an, was für mich jedes Mal mit schmerzhaften Erinnerungen verbunden war. Sie war traurig, ihren Papa nicht mehr zu sehen, übermittelte mir aber ihren Wunschzettel.
Mama hat keine Wünsche, hat sie gesagt.
Dann lass ich mir was Schönes einfallen. Würde es dir gefallen, wenn wir Weihnachten zusammen feiern?
Au ja!
Fein! Pass auf: Sag Mama bitte, dass ich mich um alles kümmere, und dass wir das bei mir machen. Ihr könnt dann hier übernachten. Würde dir das gefallen?
Die Idee war mir spontan gekommen, aber Patricia fand sie so toll, dass sie in lautes Jubilieren ausbrach. Ach ja, mein kleiner Sonnenschein tat mir schon leid, aber wenigstens Patricia sollte nicht darunter leiden, wenn ihre Eltern Krach hatten. Ich traute mir zu, für die Weihnachtstage gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Das Organisatorische konnte ich getrost meiner Haushälterin überlassen. Sie war alleinstehend und hatte mir in den vergangenen Jahren immer am Heiligen Abend Gesellschaft geleistet.
Zunächst stand aber Nikolaus vor der Tür. Gerne hätte ich meine Tochter besucht und ihr etwas in die Stiefel getan, allein die Situation mit Beate war immer zu angespannt, als dass ich einfach vorbeigefahren wäre. Ich rief deswegen sogar Beate an.
Hör mal: Ich bin zwar ein mieser Ehemann und lausiger Vater, aber wollen wir drei nicht zusammen Nikolaus feiern?
Ich würde dir ja gerne glauben, dass du tatsächlich kommst. Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Es ist ein Sonntag. Da habe selbst ich keine Probleme mit Terminen, die mir dazwischen kommen.
Tja, von mir aus kannst du gerne kommen, aber Patrizia ist erst abends zurück. Sie schläft Samstagabend bei einer Freundin und sonntags kommt da der Nikolaus.
Ich war mal wieder grandios gescheitert, was meiner Stimmung nicht sonderlich zuträglich war.
Schön, dann hast du dir also ein freies Wochenende mit René herausgehauen, ohne an die Kleine zu denken. Hauptsache sturmfreie Bude. Weißt du was: Vergiss diesen Anruf! Ich lege jetzt einfach auf.
Warte!
Warum?
Stefan ...
Mehr kam nicht. Ich belästige dich nicht wieder.
Little Drummer Boy
Am Samstag vor Nikolaus saß ich vor dem Computer und las mal wieder die Stellenanzeigen. Es war frustrierend. Alle suchten den belastbaren Manager mit Hand-on-Charakter, der am besten noch Geld mitbrachte. Ich musste komplett umdenken. Mit einem guten Rotwein in der Hand kramte ich in meiner DVD-Sammlung. Beschäftigung für einen langen, einsamen Tag. Ich entschied mich für die Box von Life Aid. Damals war es ein heißer Tag gewesen. Nicht nur in London brannte 1985 die Sonne. Auch in Köln vorm Dom, wo ich den deutschen Beitrag Nackt im Wind mit den damals angesagten Interpreten gefeiert und mit ein paar Kumpels die Kioske am nahe gelegenen Hauptbahnhof leergekauft hatte. Auf die Idee waren allerdings auch andere gekommen.
Die Bildqualität war noch immer so lausig. Angeblich hatten die elektromagnetischen Schwingungen der Boxentürme die Kameras gestört.
Es tat gut, in die 80er Jahre einzutauchen, als es noch keine Probleme für mich gab. Ich lebte in den Tag hinein, feierte mit meinen Kumpels aus der Schule und hatte manchmal ein Mädchen.
Die Musik brachte mich dazu, auf der Tischplatte mit der flachen Hand mitzutrommeln. Das lag mir noch immer im Blut. Was hatte ich im Urlaub Spaß gehabt! Der improvisierte Auftritt bei Pig Day, die Arbeit im Studio mitten in der Nacht und die Jam-Session in meinem Garten in Santa Pola hatten meine alte Musikleidenschaft neu entfacht.
Eigentlich müsste sich doch daraus etwas machen lassen, überlegte ich mir. So schlecht war ich nicht.
Und auf einmal hatte ich ein breites Grinsen im Gesicht. Du bist total bescheuert! Das klappt nie! stand der ernste Erwachsene breitbeinig dem kleinen Jungen mit den Trommelstöcken gegenüber, der lässig meinte: Ich kann das! Beweis mir das Gegenteil!
Das war noch kein Plan, aber immerhin bekam ich das Gefühl, dass sich eine vormals unsichtbare Tür einen Spaltbreit öffnete.
Mein altes Schlagzeug stand noch im Keller. Wie wir damals das Haus gekauft hatten, hatte ich mir dort einen schalldicht isolierten Hobbyraum eingerichtet.
Ich wollte trommeln, aber nicht im Keller. Die Euphorie, die sich seit der ersten vagen Ahnung für meine Zukunft eingestellt hatte, machte mich zu dem kleinen Jungen, der noch keine Grenzen kannte. Wie von der Tarantel gestochen flitzte ich in den Keller und schleppte das gesamte Equipment ins Wohnzimmer. Ein paar der Trommelfelle mussten nachgestimmt werden, aber nach fast zwei Stunden saß ich mit Blick auf den Flatscreen und begleitete The Who, U 2, Paul McCartney und all die anderen Heroen meiner Jugend lautstark am Drumkit. Anfangs zaghaft, weil ich mir selbst nicht so recht traute, aber mit der Zeit kam das Gefühl zurück. Ich spielte intuitiv, streute kleine Breaks oder Soli ein und fühlte mich so gut wie lange nicht mehr. Die kleinen Gesten, mit denen sich die Bandkollegen auf dem Bildschirm Zeichen für einen Rhythmuswechsel gaben, hätten ebenso gut mir gelten können. Ich hatte es immer noch drauf. Manchmal glaubte ich sogar ein wenig überheblich, bessere Lösungen als der eigentliche Schlagzeuger gefunden zu haben.
Zum Glück hatten die Bands immer nur Kurzauftritte, sodass ich meinem Trainingsrückstand durch ausgiebige Pausen Tribut zollen konnte. Und wer begleitet schon Madonna am Schlagzeug?
Unerwarteter Besuch
Den Rotwein hatte ich zwischenzeitlich gegen ein kühles Blondes ausgetauscht. Draußen war so richtig beschissenes Wetter, sodass ich davon ausgehen konnte, dass meine Nachbarn ihre Fenster geschlossen hatten. Mein Lärm würde sie kaum stören. Da ich aber inzwischen ganz schön ins Schwitzen geraten war, saß ich mit nacktem Oberkörper hinter der Schießbude, als es an der Haustür klingelte.
Drei seltsam gekleidete Gestalten standen davor und sangen herrlich schräg: Niklaus, komm in unser Haus ...
Zuvorderst stand Miss Rupprecht, gefolgt von einem blonden Engel und einer kurvigen Nikola.
Oh!
Der Chor verstummte und ich bekam einen Lach-Flash. Andrea sah wirklich zum Schießen aus: Irgendwie hatte sie wohl zwischenzeitlich eine unheimliche Begegnung mit einer Sudpfanne gehabt. Die sah nämlich farblich genauso aus wie ihre kupferfarbenen Haare. Dazu ein schwarzer Lack-Dress, das sowohl jeder Domina als auch jedem Sklaven gut gestanden hätte, einschließlich hochhackigen Overknee-Stiefeln. Auf jeden Fall stilecht war die rote Lederpeitsche. Patrizia wäre schreiend davongelaufen.
Als Nächste marschierte Floh herein. Woher dieses weiße Leibchen stammte, das wirklich nur das Nötigste bedeckte, das wussten weder Himmel noch Hölle.
Finale mit Gina. Sie hatte einen Fummel gewählt, der ihre Formen kaum bändigen konnte. Einen so scharfkurvigen Nikolaus, dem historischen Vorbild mit Mitra und Bischofsstab optisch kaum angenähert, hatte ich noch nie gesehen. Und auch noch keinen, der auf Stilettos daherkam.
Schließlich hatte ich das Rudel im Wohnzimmer versammelt.
Abgefahren! Ist das deins?, meinte Andrea mit Blick auf mein Schlagzeug.
So ist das. Erst hole ich euch was zu trinken und dann erzählt ihr mal, wie und warum ihr heute bei mir auf der Matte steht.
Bier, Apfel- und Weißweinschorle lauteten die Bestellungen und gingen in der Reihenfolge an Andrea, Gina und Florentine.
Andrea, heute Mittag hatte ich noch einen halben Kasten, inzwischen ist er arg geschrumpft.
Hört sich so an, als gönnst du mir das Bier nicht.
Habe ich dir jemals etwas nicht gegönnt? Ich wollte damit nur sagen, dass du danach etwas anderes trinken musst.
Ich erinnere mich da an deine Sangria, grinste Andrea.
Die roten K.-O.-Tropfen?, fragte ich lachend. Von mir aus. Wie seid ihr eigentlich hergekommen?
Mit dem Auto. Ist der Wagen vom Bruder einer Kundin, die mir noch einen Gefallen schuldete, erklärte Andrea. Die Mistkarre bricht zwar fast auseinander, ist zugig wie eine Bretterwand, aber sie hat einen unkaputtbaren Motor.
Und euer Aufzug?
Das war Ginas Einfall.
Hübsch.
Wir dachten, du sitzt allein zu Hause und grübelst dir den Kopf wund. Da wollten wir dich ein bisschen aufheitern.
Na, das ist euch ja auch gelungen.
Damit war die Begrüßung abgeschlossen.
Spielst du uns was vor?, fragte Gina mit Blick auf die Schießbude.
Na, so doll bin ich nicht.
Du bist immerhin so gut, dass dich Pig Day auf die Bühne geholt und du ihnen später der Plattenproduktion geholfen hast, meinte Gina und erhielt ein einstimmiges Kopfnicken.
Ein paar Tipps habe ich gegeben. Mehr nicht.
Gina beharrte drauf. Ohne dich wären sie nicht fertig geworden, hat Steve mir später geschrieben.
Hat er das?
Ja. Und nächste Woche kommt das Album heraus. Ist das nicht fantastisch?
Ich konnte sie ja verstehen. Damals, als ich in ihrem Alter gewesen war, hatte ich auch den Veröffentlichungen meiner Lieblingsbands entgegengefiebert.
Die Plattenfirma will wohl noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen, dachte ich laut.
Was ist jetzt?, drängelte Andrea.
Okay ... wenn es denn sein muss. Sucht mal einen Titel raus.
Dann folgten Judas Priest; nochmals U2 und Dire Straits. Ob meine Mädels überhaupt etwas anderes als mein Getrommele hörten, weiß ich natürlich nicht, aber sie feuerten mich zu dritt wie begeisterte Groupies in der ersten Reihe an.
Schließlich reichte es mir aber. Lasst uns was trinken.
Ich schüttete mir die dargebotene Flasche Bier in zwei Zügen in die ausgedörrte Kehle.
Gina nahm den Faden von vorhin wieder auf. Ich war ja damals dabei, als du mit der Band im Studio warst.
Ja, und?
Ich habe mich letztens noch mit den Jungs und Sally und Maggie per Mail unterhalten. Vor allem Maggie fand das Ergebnis echt gut und fragte mich, ob sie dich mal ansprechen könne.
Wer hätte gedacht, dass Gina Kontakt zur Band hielt? Ich wünschte ihr das Beste, verknüpfte aber gerade Gina nicht mit besonderem Sprachtalent. Seit wann sprichst du eigentlich Englisch?
Besonders gut bin ich immer noch nicht. Floh hilft mir immer bei den E-Mails.
Aha, meinte ich nur, und versuchte mich an Florentines Englischkenntnisse zu erinnern. Egal. Was will denn Maggie von mir?
Weiß ich auch nicht so genau. Sie sprach was von Produktion, London, Hamburg. So genau habe ich es nicht verstanden, aber ich habe geantwortet, dass sie das wohl vergessen könne, weil du ja so eingespannt bist in deinem Job.
Ganz ruhig, sagte ich mir und rang der leeren Bierflasche noch ein paar Tropfen ab. Dann gab ich mir einen Ruck und versuchte neutral zu gucken. Vielleicht hast du ja da was falsch verstanden, Gina.
Nein, nein! Maggie schreibt immer wieder, dass du eindeutig das Zeug dazu hast.
Wie dem auch sei, es geht ja auch nicht, wie du schon richtig gesagt hast. Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt mal den Kühlschrank plündern? Ich könnte etwas zu essen gebrauchen.
Ich benötigte jetzt unbedingt eine sprechfreie Zeit, um meine Gedanken zu sortieren. Wie ich nachmittags mit der Trommelei begonnen hatte, war die Ursprungsüberlegung gewesen, irgendwas mit diesem alten Talent anzufangen. Mit ein bisschen Übung könnte ich wahrscheinlich einen ganz guten Lehrer abgegeben. Der Raum im Keller war dafür geeignet. Außerdem traute ich mir zu, als Session- und Studiomusiker ein paar Öre hinzuverdienen zu können. Ginas Bemerkung über Maggies Interesse an mir als Produzent hatte zumindest das Potential, die Sache abzurunden. Realistisch betrachtet waren das natürlich alles Hirngespinste. Wer die Vierzig überschritten hat, hat kaum Chancen, eine Karriere als Profi im Musikbusiness zu starten. Betrachtete ich aber das Gesamtpaket mit Musiklehrer, Produzent und semiprofessioneller Musiker, dann lag Potential in der Idee. Finanziell würde ich ein paar Jahre über die Runden kommen, wenn ich selbst nicht allzu große Sprünge machen würde und auch einen Teil meines Tafelsilbers verscherbelte. Meine Mädels hätten nicht darunter zu leiden. Ob sich das dauerhaft rechnete, stand auf einem anderen Blatt.
Da ich nicht auf Besuch eingestellt war, konnte ich auch nicht viel anbieten. Satt wurden wir dennoch. Wir schmierten uns ein paar Brote und setzten uns an den Küchentisch.
Nun erzählt doch mal, wie es euch seit unserem letzten Treffen ergangen ist, forderte ich die jungen Damen heraus, die auf einmal meine Deckenleuchte sehr interessant fanden. Und obwohl es für die Jahreszeit zu mild war, konnte ich mir sicher sein, dass keine Fliegen an ihr herumkrabbelten. Nicht so schüchtern. Andrea?
Die Angesprochene verzog ihr Gesicht. Bin wieder solo.
Du hattest einen Freund?
Sie blies die Backen auf. Nicht im engeren Sinne.
Aha. Also im weiteren Sinne?
Der Typ nannte sich Bruce. Ich traf mich hin und wieder mit ihm.
Und jetzt nicht mehr, stellte ich fest. Was ist passiert?
Der Typ war ein Arsch.
Ich könnte dir stundenlang zuhören. Geht es ein kleines bisschen flüssiger?
Andrea atmete hörbar aus. Wenn du es unbedingt wissen willst ... Er war mein Dom.
Also dein Herr und Meister, stellte ich fest.
Nur während der Sessions, sonst lief da nichts, erklärte Andrea glaubhaft. Wir kannten uns ein paar Monate. Seit langem war er der erste Dom, dem ich vertraute. Bruce hatte den Bogen raus. Er forderte mich, ohne es zu übertreiben.
Hört sich doch toll an, meinte ich und erinnerte mich, dass sie auch schon mal blaue Flecken davontrug. Aber jeder Jeck ist halt anders.
War es ja auch. Bis nach meiner Prüfung im Oktober war alles okay. Dann nahm er mich zu einer Party mit. Ich hatte nichts dagegen, aber einmal da, traute ich meinen Augen nicht. Da stolzierten lauter Typen mit ihren Subs herum. Das hätte mich noch nicht umgehauen, aber dann begriff ich, dass er mich nicht nur herumzeigen oder demonstrieren wollte, sondern an andere Doms weitergeben.
Und dann?
Ich habe das Thema geklärt, meinte Andrea sachlich.
Gina lachte: Sie hat ihn so verprügelt, dass er zwei Wochen lang seine Wunden lecken musste.
Selbst Floh lächelte. Er hat sich sehr verändert gezeigt. Mit Veilchen und blauen Flecken.
Pah! Das Weichei hätte sich ja wehren können!
Er hätte dich auch anzeigen können, meinte Floh ernst. Du warst schließlich mal westdeutsche Meisterin in Karate.
Als Zwölfjährige, stellte Andrea klar. Immerhin hat er mich nicht abgezogen.
Gina machte ein betroffenes Gesicht und war den Tränen nahe. Ich musste sie einfach in den Arm nehmen. Was ist passiert?, fragte ich leise und streichelte über ihren Kopf.
Gina war auf einen Typen hereingefallen, der sie wie eine Weihnachtsgans ausgenommen hatte. Zuerst waren es kleinere Beträge gewesen, die er am nächsten Monatsersten auch zurückbezahlte. Dann war angeblich sein Auto kaputt gegangen, und um einen neuen Job anzutreten, brauchte er einen fahrbaren Untersatz. Gina übergab ihm praktisch ihre ganzen Ersparnisse. Ein paar Tage später war der Typ weg.
Das Arschgesicht hätte ich auch gerne verprügelt, sagte Andrea mit geballter Faust.
Hast du wenigstens Anzeige erstattet?, wollte ich wissen, worauf Gina nun wirklich in Tränen ausbrach.
Sie war auf der Polizei, und da stellte sich heraus, dass noch ein Haftbefehl gegen ihn offen stand. Er ist ein notorischer Betrüger, der immer wieder die Nähe zu alleinstehenden Frauen sucht, antwortete Florentine für ihre Freundin.
Selbst wenn die Bullen ihn kriegen, ist bei dem nichts zu holen, meinte Andrea wütend. Der hat schon mehr wie einmal das Händchen gehoben.
Wir saßen eine Weile stumm zusammen, wobei ich Gina tröstend den Arm auf die Schultern legte. Dann guckte Floh mich an: Und jetzt würden wir gerne mal wissen, was mit dir los ist.
Also erzählte auch ich meine Geschichte in Kurzform.
Beate geht dir also offen fremd, weil sie es öfter braucht als du da bist?, hakte Andrea nach.
Ich wollte Beate in Schutz nehmen und meinte, dass das eine sehr vereinfachende Sichtweise sei.
Das glaube ich nicht. Denk doch mal an das Tagebuch, das sie dir zugespielt hat.
Was meinst du damit, Andrea?
Ich habe ja fast alles gelesen, wofür ich mich nochmals entschuldige, aber erst hält sie Kaffeekränzchen der besonderen Art ab und dann hat sie diese Affäre mit René.
Die Affäre mit René hat sie ja erst nach unserer Scheidung angefangen.
Trotzdem! Wie oft trifft sie sich jetzt mit ihm?
Ich vermute, zwei- bis dreimal in der Woche, gab ich zu.
Und wie oft hattet ihr normalerweise Sex in eurer Ehe?
Fast täglich, erinnerte ich mich.
Und wie oft ging die Initiative von ihr aus?, bohrte Andrea weiter.
Weiß ich nicht mehr.
Jede Wette, dass Beate da führend war.
Und wenn schon! Wir liebten uns und waren einfach verrückt aufeinander.
Andrea schüttelte den Kopf und Florentine meinte mild, dass das sehr ungewöhnlich sei. Über zehn Jahre lang? Der große Rausch, die rosarote Brille, verschwindet spätestens nach zwei Jahren.
Bei uns nicht, beharrte ich, obwohl ich natürlich schon davon gehört hatte.
Nur mal angenommen, Beate hätte eine ungewöhnlich starke Libido, fuhr Florentine fort, dann könnte sie zumindest ein Grund sein, warum sie sich immer mit René trifft.
Ihr geht es um Sex, Stefan, nicht um Liebe. Lieben tut sie dich, aber sie kann oder will nicht auf Sex verzichten, fasste Andrea die These ihrer Freundin zusammen. Guck uns drei an: Wir sind bestimmt keine Kostverächter, aber wir würden uns nicht von einem Typen mehrmals die Woche vögeln lassen, den wir nicht lieben. Meinen aufkeimenden Protest erstickte sie mit einer energischen Handbewegung. Versteh mich bitte nicht falsch: Wir sind bestimmt in vielerlei Richtungen offen, und gegen einen One-Night-Stand hat keine von uns was, wenn es denn passt, aber doch nicht so wie Beate.
Ich war wie vor den Kopf gehauen. Alles, was Andrea und Florentine sagten, passte nahtlos zu dem, was ich mir schon selbst zusammengereimt hatte, und dennoch konnte ich es nicht glauben.
Und was soll ich jetzt tun?, fragte ich verzweifelt.
Du wirst du einen Weg finden, sagte Gina und guckte mich mitleidig an.
Rede mit ihr, ermunterte mich Florentine.
Das wird nicht leicht.
Liebe ist nicht einfach, meinte Gina treuherzig und kuschelte sich in meinen Arm.
Und ich dachte, ihr wärt hier, um mich aufzuheitern. Stattdessen
Nix stattdessen! Sowohl als auch. Obwohl
, meinte Andrea und wedelte drohend mit ihrer Peitsche.