Serket und Niit hatten im Gegensatz zu Minhotep herrlich geschlafen und waren erfrischt erwacht, immer noch aneinander gekuschelt. Niit gab ihrer Cousine einen zarten Kuss auf die Stirn: Wir sollten öfter mal einen gemeinsame Aufgabe übernehmen, ich platze normalerweise vor Tatendrang und dann ödet mich sonst alles an. Aber gestern war es mal richtig schön!
Unser Auftrag ist noch nicht beendet, wir werden den Fisch aber noch etwas zappeln lassen. Wir haben jetzt Zeit für einen Bummel durch die Gemeinde! Lass uns mal etwas ausreiten!
Da bist Du wieder ganz Katze, die mit ihrem Futter spielt, bevor sie es frisst. Die Idee mit dem Ausritt finde ich gut! Denn mal los!
Sie zogen sich lockere Reitumhänge an, die Schutz vor der sengenden Sonne boten. Um den Kopf trugen sie ihre roten Stirnbänder, die ihren hohen Rang symbolisierten und die mit ihren Namenshieroglyphen geschmückt waren.
Sie waren in wenigen Minuten reisefertig. Serket ergriff noch ihre Leinentasche mit einigen magischen Utensilien so für alle Fälle, sie eilten mit beschwingten Schritten über den Hof und betraten die Stallungen.
Wie brauchen zwei Pferde, sie können ruhig temperamentvoll sein, aber sie sollten einen angenehme Gangart haben.
Auch die Stallungen wurden von angehenden Priesterinnen betreut. Serket und Niit wurden mit respektvollen Verbeugungen begrüßt und bekamen dann schnell die gewünschten Pferde zugewiesen: Hier Goldstern ist ein flotter Dreijähriger, manchmal etwas übermütig, aber sonst gutartig. Dann habe ich noch Achet, eine etwas eigenwillige *****, die sehr temperamentvoll ist, aber eine feste Hand braucht, wäre das recht?
Perfekt. Bitte sattelt uns die Pferde, wir wollen gleich los. Wir werden wahrscheinlich erst gegen abend zurück sein. Ach ja, und Wasser müssen wir auch mitbekommen.
Es dauerte nicht lange, da wurden die Pferde herausgeführt. Serket und Niit ließen ihre Tiere eben an der Hand den Geruch aufnehmen und strichen über die Nüstern. Dann stiegen sie auf und ließen die Pferde gleich in einen flotten Trab fallen. Schnell verschwand der Tempelbezirk hinter ihnen. Sie ritten direkt auf die Gebirgskette zu und erreichten nach einer halben Stunde schon die Felswand. Sie ritten rechts unmittelbar an der Felswand weiter, die sich drohend und abweisend mehrere hundert Meter hoch vor ihnen auftürmte und erreichten einen schmalen Durchgang, in den sie einbogen. Hier wurde der Weg aber so schmal und steil, dass sie absteigen mussten. Die Pferde führten sie am Zügel hinter sich her.
Nach einigen weiteren Minuten der Kletterei aber erweiterte sich der Weg wieder und bog fast rechtwinklig ab. Wir sind gleich da! meinte Niit.
Wo bringst Du uns denn hin?
Zwei Gründe: Wir müssen den Schutzzauber für die Berge erneuern und ich kenne hier eine Höhle, wo es die sagenhaften Sternensteine gibt!
Gibts die wirklich? Ich dachte, es wären nur Gerüchte aus alter Zeit!
Warte noch fünf Minuten, dann sind wir da! Dann wirst Du selbst sehen, ob es nur ein Gerücht ist
Es dauerte etwas mehr als fünf Minuten, bis sie ein unscheinbares Seitental erreichten, das die wieder nur zu Fuß begehen konnten. Niit dachte bei sich Vielleicht hätten wir lieber Mulis statt Pferde nehmen sollen, die sind trittsicherer, aber der Weg war ja nicht mehr weit.
Hinter einem Felsvorsprung befand sich ein Loch in der Felswand. Schlitzartig, Serket fragte sich, ob es wohl breit genug war, sie überhaupt einzulassen. Aber Niit band ihre Pferde an einen vertrockneten Dornbusch und ging mit ihr zielstrebig dorthin. Offenbar war es nicht das erste Mal, dass sie hier war.
Der Spalt war so schmal, dass sie sich nacheinander seitlich hineinzwängen mussten, aber dann tat sich eine etwas zehn Meter tiefe, geräumige Höhle vor ihnen auf.
Sie mussten sich an das schummerige Licht in der Höhle erst gewöhnen, der Übergang vom grellen Sonnenlicht in diese Finsternis hatte sie zunächst fast blind gemacht. Dann aber schälten sich Konturen aus der Dunkelheit und Serket staunte.
Hier waren Hieroglyphen und Bilder aus alter Zeit angebracht. Hier schau mal: Der Herr der zwei Länder, Herr aller Fremdländer, König von Ober- und Unterägypten, Sohn des Lichts Nefer-Ka-Re !
Das ist ja aus der Zeit der sechsten Dynastie! Das ist viereinhalbtausend Jahre alt! Und ich dachte, zu der Zeit hätte man sich nur auf Memphis in Unterägypten beschränkt. Das ist ja phantastisch!
Das wird noch viel phantastischer. Komm und schau mal dort in die Nische!
Serket war ganz aufgeregt. Dort, hinter einer Ecke war eine tiefe Wandnische in der Finsternis. Sie meinte ein bläuliches Funkeln wahrgenommen zu haben, aber sehen konnte sie nichts genaues.
Wir brauchen Licht! Im Dunkeln traue ich mich nicht dort hineinzugreifen. Auch wenn ich die Herrin der Skorpione bin, bin ich gegen das Gift doch nicht immun, und ich spüre die Gegenwart meiner Freunde!
Nichts leichter als das Niit griff in ihre Tasche und holte einen Kristall hervor. Sie legte ihn auf ihre Handfläche und schaute konzentriert hin. Langsam heller werdend, glomm ein bläuliches, kaltes Licht auf.
Serket staunte:Was ist das denn? Den Trick musst Du mir unbedingt zeigen!
Geduld. Nun schau in die Nische!
Da lagen viele kleine und größere blaue Kristalle, genau wie das, was Niit gerade in der Hand hatte.
Vorsichtig streckte Serket die Hand aus. Ein schwarzer Skorpion huschte davon.
Serket nahm einen der Kristalle in die Hand. Er fühlte sich warm an, Irgendwie wie lebendig.
Nun schau hinein und konzentrier Dich auf den Stein!
Serket legte den Kristall auf die flache Hand und starrte ihn an. Ein ganz kleinen blaues Licht glomm auf und ihr wurde schwindelig. Sie musste sich setzen. Macht der Stein was mit mir? Mir ist ganz schwindelig!
Das gibt sich. Schau weiter hinein.
Ihr war, als ob sich alles um sie herum drehte, aber der Stein in ihre Hand nicht, er lag fest und begann, immer heller zu leuchten. Gleichzeitig bekamen die Bilder an den Wänden Konturen, als würden sie lebendig.
Das ist ein Sternenstein. Er verstärkt Deine Geisteskräfte und Deine Magie um ein Vielfaches und man kann ihn auch mit Magie aufladen und dann zum Beispiel als Schutz irgendwo anbringen. Jeder Stein gehorcht nur dem, auf den er abgestimmt ist, Du hast diesen Stein eben auf Dich abgestimmt, und er wird Dir gehorchen. Wir können unsere Kräfte aber auch zusammenschließen und damit Ungeheures leisten!
Dann sollten wir die Steine hier nicht so unbeaufsichtigt zurücklassen, nicht auszudenken, wenn sie in die falschen Hände kämen!
Sie sind nicht unbeaufsichtigt. Am Eingang ist ein Schutzstein angebracht, den ich mit Magie aufgeladen habe und der Fremden verbietet, dieses Loch zu finden. Hier kommt ausser uns keiner herein. Aber wir werden für Iset und ihre Familie einige mitnehmen. Nach den alten Legenden beruhte ein Teil der Macht der Alten auf diesen Steinen.
Das ist ja phantastisch. Gibt es ein Risiko im Umgang damit?
Ich weiß nicht. Deswegen traue ich mich nicht, mehr mitzunehmen. Lass uns damit erst mal ein wenig üben. Aber nun lass uns mal den Schutz des Tals in Angriff nehmen
Da können wir doch auch die Steine zur Hilfe nehmen! Konzentrier Dich auf Deinen Stein, ich konzentrier mich auf meinen und dann schaun wir mal, unsere Magie wird sich vervielfachen!
Sie setzten sich auf den Boden und nahmen ihren Sternenstein in die Hand. Bald leuchtete die Höhle hell im unwirklichen blauen Licht. Serket spürte die Kleinlebewesen um sich herum. Sie hatte deren Gegenwart immer schon gespürt und wenn sie sich auf eines konzentrierte, konnte sie es auch dazu bringen, zu tun was sie wollte. Aber nun war sie sich der Lebewesen so bewusst wie nie und konnte sogar regelrecht fühlen. Und dann war dort das andere blaue Licht, der Stein von Niit. Sie spürte, wie die beiden Lichter zu einem verschmolzen und spürte plötzlich Niits Gedanken und wusste, dass es Niit genauso ging. Ihre Gedanken waren zu einer Einhaet verschmolzen, aber ihr Bewusstsein weitete sich über ihr Gesichtfeld hinaus aus, sie spürten, nein, sie sahen auch das Land außerhalb der Höhle, ihre beiden Pferde, die geduldig auf sie warteten.
Nun murmelten sie gemeinsam die heiligen Schutzformeln, die es Fremden unmöglich machte, die Berge zu überwinden und sie spürten, wie der Zauber sich auf die Bergflanken legte.
Aber sie sahen auch noch etwas: Zwei Männer in abgerissenen Umhängen, die geradewegs auf ihre Höhle zusteuerten. Nein, es war nicht die Höhle. Sie hatten die Hufspuren entdeckt und sahen die Pferde.
Niit fragte Serket: Du siehst, was ich auch sehe? Ja, vertrauenerweckend sehen die nicht aus! Ob die es auf unsere Pferde abgesehen haben?
Vielleicht. Wir müssen hier raus, ohne das die uns bemerken! Die Höhle muss geheim bleiben!
Sie packten ihre Sternensteine in die Tasche ihres Umhangs und warteten.
Draußen beratschlagten die Männer. Sollen wir die Pferde nehme und abhauen?
Nein, zu den Pferden gehören zwei Reiter. Die werden wir erst mal erleichtern, dann können wir immer noch mit den Pferden abhauen!
Dann verstecken wir uns hinter dieser Ecke, und warten, bis die wiederkommen. Bei der Hitze können sie die Pferde nicht lange alleinlassen!
Niit kroch als erste aus dem Spalt, Serket folgte unmittelbar. Spürst Du, ob sie noch da sind?
Ja, irgendwo in der Nähe
Sie brauchten aber nicht lange zu rätseln, da traten die zerlumpten Gestalten schon hinter der Ecke hervor, eine Klaschnikoff im Anschlag: Hände hoch
Die Frauen waren zu überrascht, um Widerstand zu leisten. Die Bewaffnung der Männer hatten sie nicht bemerkt. Sie standen wie die Salzsäulen.
Ho Ho! Was haben wir den da für einen Fang gemacht! Zwei Adelsschlampen! - Los, Ausziehen!
Niit hatte sich als erste wieder gefangen.: Wir stehen im Dienste der Göttin, und ein Angriff auf uns ist ein Angriff auf die Göttin!
Damit könnt ihr vielleicht kleine Kinder erschrecken! Für uns gibt es keine Göttin! Und nun runter mit den Klamotten, oder es setzt was!
Ich wiederhole mich ungern! Wenn ihr uns Gewalt antut, werdet ihr den Tag verfluchen, an dem ihr geboren wurdet, Ihr werdet keinen fröhlichen Tag und keine ruhige Nacht mehr haben: Abgesehen davon, dass diese Art Waffen hier in unserem Land verboten sind!
Es ist uns auch teuer genug geworden, diese hier herein zu schmuggeln. Und jetzt muss sie sich erst mal rentieren, hi hi. Wenn ich dann um Entkleidung bitten dürfte!! Sein Tonfall wurde scharf und drohend und er richtete den Lauf der Waffe auf Niit.
Niit streifte sich den Umhang von den Schultern: Du hast die Waffe. Aber es wird Dir trotzdem leid tun, nur dann wird es zu spät sein!
Serket hatte unauffällig in die Tasche nach dem Sternenstein gegriffen und ihn in der Faust herausgezogen. Sie stand nun, wie erstarrt, aber in voller Konzentration mit geschlossenen Augen und suchte die Umgebung ab. Da hatte sie es gefunden: Ein kleines, aber sehr giftiges Skorpion unter einem Stein. Ihre Gedanken waren auf das Tier fokussiert. Hierher. - etwas weiter jetzt links in den Umhang rein und innen hoch- weiter.!
Der scharfe Befehl des Räubers riss sie aus der Konzentration: Du auch. ********! Klamotten runter, aber ein bisschen plötzlich!
Serket tat vollkommen überrascht und ließ ihren Umhang fallen und versuchte, ihre Blöße mit der Hand zu bedecken, um den Eindruck einer verschämten Frau zu erwecken. Der Räuber ließ sich täuschen. Er kam zu den Mädchen, stellte sich hinter Niit und riss ihr brutal die Hände auf den Rücken. Dann umfasste er ihren Körper und grapschte von hinten nach ihren Brüsten. Dabei hatte er Serket für einen Moment außer acht gelassen, weil er meinte, dass von ihr keine Gefahr ausging.
Nur sie hatte in der kurzen Spanne ihre Konzentration wiedererlangt und sah jetzt durch die Augen des Skorpions, wie es sich dem dichten Gebüsch seines Schamhaars näherte. Und sie sah, wie sein Schwanz sich erhob und den Umhang ausbeulte. - Noch ein wenig höher! Der Skorpion hatte den Schwanz erreicht. Und jetzt: ZUSTECHEN!