# 10 E Im falschen Film
Oh, ist mir das peinlich. Wieso hab ich nicht mitbekommen, dass Conny gleich hinter mir aus der Kabine gekommen ist? Und mit angehört hat, mit welch schäbigen Ausflüchten ich mich Britta gegenüber aus der Affäre ziehen wollte. Auf dem Weg zur Bordleiter beschäftigt mich nur dieser Gedanke. Trotzdem bemerke aus den Augenwinklen, dass die beiden Jungspunde Marc und Carmen nicht mehr allein auf dem Vordeck waren - Ulf hat die beiden beim Sonnenbaden, genauer gesagt Marc beim Carmen-mit-Sonnenmilch-einschmieren tatkräftig unterstützt. Ob Sonnenmilch dabei überhaupt verwendet wurde, konnte ich auch nicht so genau sehen, jedenfalls hat Ulf sich besonders um die empfindlichen Brustspitzen von Carmen gekümmert, während sich Marc intensiv den noch empfindlicheren Hautpartien zwischen Carmens Beinen angenommen hat.
Das ist mir aber im Moment mehr als schnuppe. Raus aus der Büchs, rein ins badewasserwarme Meer. Als wollte ich mich wieder reinwaschen, meine Gier nach Connys Arsch abwaschen, ungeschehen machen, zumindest das was Britta davon mitbekommen hat. Und während ich da nun in den Wellen schaukele, dank des Salzgehalts fast schwerelos, komme ich doch ins Grübeln, wieso ich überhaupt Skrupel gegenüber Britta hatte, habe, haben werde? Bin ja schließlich nicht mit ihr verheiratet! Okay, die brüderlichen Gefühle haben auch nicht lange gehalten. Da is noch was anderes, was mir mal heiße, mal kalte Schauer über den Rücken jagt, was die Ohren auch ohne Tinitus pfeifen läßt, was die Schmetterlinge im Bauch, achwas, ganze Heuschreckenplagen aufscheucht, die Gedärme in Aufruhr bringt? Bin ich hier tatsächlich in ne Liebesgeschichte geraten, noch dazu in meine eigene? Ich, der sich jahrelang standhaft geweigert hat, Gefühle zu fühlen, Romantik zu leben, mich einfangen zu lassen?
Das Wasser ist zu warm, um die widersprüchlichen Gedanken und Gefühle zu sortieren. Verdammt, ich will einfach nen Organsmus, ich will nen Höhepunkt, ich will abspritzen - und wieso geht das nicht so wie immer? Mein Kumpel tut völlig unbeteiligt, als ich im Wasser nachfühle, ob er überhaupt noch da ist. Aber ich habe keine Lust, mir jetzt einen runter zu hobeln, schließlich sind drei von vier Mädels an Bord willige Kandidaten für meine Erfüllung und warten nur auf mich: Okay, Gertrud ist außen vor, aber Connys Läufigkeit schreit schon gen Himmel, Carmen ist offenbar nicht halb so unschuldig, wie sie tut, und Britta ist mehr als überfällig. Wieso zucke ich grade bei Britta zurück, wieso vernasch ich sie nicht einfach? Verdammmte Scheiße, dafür gibts nur eine Erklärung! Schon immer, wenn mir eine Frau besonders gut gefallen hat, wenn es mir wichtig war, sie für mich zu mehr als einer Nacht, zu mehr als nur schnellem Sex zu gewinnen, dann war mein männliches Drängen gebremst, dann wurde ich geradezu schüchtern, dann war der tiefe Blick in die Augen, das Öffnen des Herzens für mich wichtiger als der Blick auf oder das Eindringen in noch so wundervolle, weiche, weibliche Körperteile. Und immer wenn das so war, dann war ich bis über beide Ohren verliebt. Das hat mir jetzt gerade noch gefehlt!
"Essen ist fertig!" tönts vom Schiff. Ich kraule zurück. Bis ich geduscht und abgetrocknet bin sind alle schon am Futtern! Ich hänge mir einfach mein Handtuch um die Lenden, es ist gnadenlos heiß, immerhin hat jemand die Persennig aufgespannt, die den Esstisch und die Bänke beschattet. Es gibt irgendein Gemüseallerlei mit Reis, sehr schmackhaft - und ausserdem von Britta zubereitet. Ertappe mich bei dem Gedanken "Kochen kann sie also auch!", wobei das "auch" sich bei dieser etwas diskriminierenden Klassifizierung ja 'normalerweise' auf Sex bezieht, den ich mit ihr ja noch gar nicht erlebt habe!
Obwohl das Bier zu warm ist, dem Kühlschrank fehlt eine batterieaufladende Motorfahrt, ist die Stimmung ausgelassen und fröhlich, sogar Gertrud macht zweideutige Andeutungen zum dreisamen Sonnenbad von Ulf, Marc und Carmen, Britta und Conny sitzen spärlich bekleidet und eng aneinander gedrückt mir gegenüber und prosten sich mit anzüglichen Blicken zu - alle haben Spaß, nur ich nicht! Ich bin einfach im falschen Film!
Ein Fuß steigt auf meinen, nicht fest, aber auch nicht zufällig. Wegen der Tischplatte kann ich nicht sehen, wessen Fuß es ist, Brittas oder Connys? Kein Blick, keine Geste der beiden verrät, wer da den Kontakt zu mir sucht. Jetzt tuscheln die beiden auch noch miteinander und kichern sich an. Gertrud verkündet den Nachmittagsplan, will heute weiter segeln, den vorhergesagten guten Nachmittagswind nutzen. Ich bin ganz woanders! Bei meinem Fuß nämlich, genauer gesagt, bei dem über meinem! Um unter den Tisch zu gucken, müsst ich mich seitlich versetzen, geht aber nicht, wir sitzen alle eng aneinander. Ausserdem ist mein sportlicher Ehrgeiz geweckt, auf andere Weise rauszufinden, wer mit mir fusselt. Versuche nun mit meinem zweiten Fuß den Besucherfuß abzutasten. Hat nicht Conny ein Fußkettchen? Hab ich nicht an Britta einen kecken Zehenring gesehen? Kann ich irgendwas in der Art ertasten? Ach, das würd ja auch nix nützen, beides wird, wenn ich mich recht entsinne an nur jeweils einem Fuß getragen. An welchem, kann ich aber nur aus der Erinnerung heraus nicht mehr rekonstruieren.
Und just in dem Moment, in dem ich beschließe, einfach mal fester aufzutreten - mal schauen, wer dann schreit - schreie ich selber, denn der mittlere Fuß, der ja nicht mir gehört, steigt dem untersten - also meinem - gehörig auf die Zehen. Und auch das ergibt noch nicht mal den leisesten Hinweis - den einer verräterischen Bewegung etwa - auf die Besitzerin, denn mir gegenüber stehen Britta und Conny gleichzeitig auf. Und feixen mir frech ins Gesicht, so als würde sie mein Zustand des hochgradig Unbefriedigseins besonders ergötzen. Und werfen in geradezu balletmäßiger Synchronität beide ihr leichtes Schultertuch ab, entblößen ihre zauberhaften Zwillige, die ungleicher nicht sein könnten und - oh wie grausam können Frauen sein! - drücken ihre Brüste wollüstig aneinander, ohne ihre Blicke von mir zu wenden. "Wir legen uns jetzt aufs Vordeck und verwöhnen uns - Du darfst abspülen - hast mich ja schließlich beim Kochen im Stich gelassen!" flötet Britta mit einer so betörenden Stimme, dass ich glatt wieder drauf reingefallen wäre, wenn der Sinn ihrer Worte nicht so fies gewesen wäre.
Oh wie sehr bereue ich meine Ritterlichkeit gegenüber Britta, meine Rücksichtnahme auf vermeintliche Trauer einerseits und zarte Liebesgefühle andererseits, wie gern wäre ich jetzt nochmal an Connys Pforte - zustoßen würd ich ohne mich um Ulf oder Britta zu kümmern, was man hat das hat man, das kann einem keiner mehr nehmen. Alle hedonistischen Begründungen für das Leben aus dem Augenblick ohne Gedanke an irgendwelche Folgen schießen mir in den Sinn. Ach, und auch mein fauler Liebeslümmel ist völlig überflüssigerweise schlagartig aus seinem Liebesrauschtiefschlaf erwacht, salutiert sein ziemlich angeberisches "Allzeit bereit!" und versucht sich hinter dem Handtuch vor zu strecken! "Du Penner du" beschimpfe ich mein zweites Ich, "jetzt kannst auch grad weiterschlafen, beim Abspülen drückst du dich eh!"
Nun ist auch das Geschirr einer Segelcrew nicht unendlich vielzählig, auch diese Strafe geht einmal vorüber. Und während ich gerade den letzten Teller im Schrank verstaue, den letzten Löffel ins Besteckfach lege, erscheinen im aufgeklappten Oberlicht zwei wundervolle Madonnengesichter und wieder ertönt Brittas Flötenstimme "Wennst fertig bist darfst zu uns kommen." In typisch männlicher Gekränktheit reagiere ich selbstverständlich NICHT. "Ach, bist noch sauer, Süßer?" - "Na dann laß es halt bleiben!" flötet Conny eine Stimmlage höher, aber nicht minder verführerisch. Diese Biester, wissen genau, dass ich nicht eine Sekunde lang standhaft bleiben kann. Der hormonelle Befriedigungsspiegel ist viel zu weit abgesunken, als dass ich nicht jeden noch so kleinen Hoffnungsstrohhalm wie ein Ertrinkender umklammern würde. Ist mein "Ich komme, ich eile, ich fliege zu euch, ihr Göttinnen" jetzt zu wenig gekränkt, zu wenig strategisch, etwa gar zu direkt?
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Ihr seid wieder dran. Wählt unter diesen drei Möglichkeiten, wies weiter gehen soll:
A) Ich traue den Bistern nicht und räche mich mit einem schnell am Heck aufgeschnappten Eimer mit kaltem Wasser auf die sonnenerhitzen Leiber. Und dann wird endlich mal gesegelt.
B) Ich glaube, die meinens doch ernst und ich lasse mich drauf ein. Ich werde vierhändig massiert, dass mir Hören und Sehen vergeht! Das Ankerlichten findet erst später statt.
C) Kaum bin ich bei den Beiden und hoffe auf schönes Verwöhnt-werden, da ertönt Gertruds "Anker auf!" und der Platz am Vordeck unterm Baum ist kein guter Platz mehr.
Ich freu mich auf eure Wahl.