Teil 2
Ich trocknete mich ab, schlüpfte in meinen Jogginganzug, setzte mich in die Küche und machte Abendbrot.
Es war langweilig, immer allein zu essen. Seit Elke vor zwei Jahren ausgezogen war, war es Tagesgeschäft geworden, allein am Tisch zu sitzen.
Elke. Ich war froh, dass es zuende war. Eigentlich hätte ich sie nie heiraten dürfen. Es war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Zu verschieden waren unsere Vorstellungen, aber wir waren wohl beide dem Gedanken aufgesessen, den anderen zurecht drehen zu können.
Aber das geht nun mal nicht, diese Erfahrung mussten wir beide machen.
Insbesondere im Bett wurde es für mich schlimmer statt besser. Schon zu Anfang war mehr als die Missionarsstellung nicht drin gewesen, wenigstens durfte ich sie ab und zu mal lecken.
Aber wenns ums Blasen ging, dann wurde sie zickig, 'pass ja auf, du weisst, dass ich mich davor ekele'. Alles Zureden half nichts, sie liess sich nicht überreden.
Hätte ich nur damals auf meine Freunde gehört. Die hatten mir abgeraten von der Hochzeit.
Ich aber hatte aus falschem Verantwortungsgefühl das Bedürfnis gehabt. Elke war zur Hochzeit im 4. Monat. Ein Betriebsunfall, aber am Ende das einzig Gute in meinem Leben.
Der kurze war jetzt bei Elke, aber jedes Wochenende konnte ich ihn holen, Elke war da zum Glück mal mit mir einig gewesen. Der Junge konnte ja nichts dafür, dass wir nicht mehr miteinander konnten. Und Mutter bleibt Mutter, Vater bleibt Vater, auch wenn Mann nicht mehr Mann und Frau nicht mehr Frau waren.
Ich ass zuende, legte mich wieder auf die Couch und zog mir die Nachrichten rein.
Noch ein bischen Serienberieselung mit Mord und Totschlag und ich ging zu Bett.
Erwartungsgemäss konnte ich nicht einschlafen, ich sah diese Frau am Kassentresen vor mir und meine Gedanken konnten sich nicht von ihr lösen. Irgendwann war ich dann wohl doch eingeschlafen, denn ein fürchterliches Piepsen weckte mich unsanft.
Scheiss Wecker, aber nützt ja nichts. Irgendwo musste das Geld ja herkommen, und eine andere legale Tätigkeit würde mich auch nicht reich machen.
Ich hatte heute ein bischen mehr Zeit, da ich bereits angekündigt hatte, je nach dem wie die Fahrzeugabholung klappte, etwas später zu kommen. Die Freiheit hatte ich zum Glück, wer mal länger bleibt darf auch mal später kommen. 'Eine Hand wäscht die andere, die Hauptsache ist, beide werden sauber' sagte mein Chef immer. Ein harter Brocken im Geschäft, aber doch gerecht.
Ich machte mich auf den Weg, der Nachteil bei verspäteter Anfahrt war das erhöhte Verkehrsaufkommen, da musste ich locker ne halbe Stunde draufgeben. Manchmal machte
mir selbst dann das Kölner Autobahnmonster einen Strich durch die Rechnung.
"Siegen 200m" las ich auf dem Schild. Sonja, das Autohaus, hier ging es ab.
Spontan setzte ich den Blinker, fuhr ab, und parkte meinen Wagen vor dem Autohaus.
Ich nahm einen Zettel aus der Mittelkonsole, schrieb "Wenn Du Zeit und Lust hast, melde Dich. 0170-... Rolf".
Ich stieg aus, ging zur Kassentheke und sah SIE. Mit erneutem Herzklopfen ging ich an die Theke, sagte "Guten Morgen Sonja", reichte ihr den Zettel und drehte mich wortlos um.
'Nicht umdrehen' dachte ich 'bleib stark, ab ins Auto und zur Arbeit'. Ich drehte mich nicht um, setzte mich in mein Auto und fuhr Richtung Autobahn.
Wie würde Sonja reagieren? Mehr als mir ein Lächeln zu zu werfen blieb ihr ja vorhin nicht.
Entweder, sie war sauer, oder sie würde sich melden. Es gab nur diese zwei Alternativen, und zu verlieren hatte ich ja nichts. Oder doch? Hätte ich es anders anfangen sollen?
Ich zweifelte solange, bis mich die Hupe eines gefühlt in meinem Kofferraum fahrenden LKW
in die Realität zurück holte. 'Oh Scheisse' dachte ich, schaltete runter und machte dem Dicken die Spur wieder frei.
Ich konzentrierte mich jetzt doch besser auf den Verkehr, andernfalls würde mein Handy, wenn überhaupt, in einem Haufen kaltverformten Bleches klingeln...
Die Tage kamen mir vor wie Jahre. Zwar ging im Job die Zeit um wie im Fluge, aber abends zuhause wartete ich besessen auf den einen Anruf.
Zwar hatte ich es mir bei den Gedanken an vergangene Zeiten ab und an selbst besorgt,
aber insgesamt schien mir die Situation sehr unbefriedigend.
Einzig das Wochenende mit dem Kurzen hatte mich ablenken können.
Heute war schon wieder Donnerstag, ich könnte verrückt werden.
Ich hatte mir ein paar Brote gemacht und mich vor den Fernseher gesetzt.
Früher hatte ich gerne gekocht, für die Familie, aber jetzt, allein, lohnte es sich kaum,
und es machte auch keinen Spass mehr. Lediglich am Wochenende nahm ich mir die Zeit.
Immer nur Brot oder Fertiggerichte, ab und an mal was schnelles aus der Pfanne ohne grosse Beilage war ja auch nicht das Richtige. Und auswärts wird halt auf Dauer nicht nur teuer, sondern auch Langweilig.
Ich schaute mir eine Doku auf dem Infokanal an, das war wenigstens noch sehenswert.
Der Rest des Programms war meist doch eher schlecht.
Das Handy! Ich schaute aufs Display, die angezeigte Nummer war mir unbekannt.
Bittebitte dachte ich, meldete mich.
"Hallo Rolf, hier ist Sonja." Bingo, sie hatte zurück gerufen!
"Hi, freut mich, dass Du anrufst" stammelte ich. Man, war ich happy.
"Da hast Du dir ja ein schönes Ding geleistet letzte Woche, Zettel auf den Tisch und abhauen? Was war denn das für ne Nummer? Hättest doch wenigstens kurz stehen bleiben können" Ich stammelte sowas raus wie Zeitdruck, Arbeit, musste los. Doch am anderen Ende
antwortete Sonjka lediglich "Ts ts ts" - und legte auf. Shit! Ich habs vermasselt.
Ich lief aufgeregt durch Zimmer auf und ab und überlegte.
Mach es jetzt, sonst machst du es nie mehr! dachte ich und wählte ihre Nummer.
"Also von vorn, was war das für eine Nummer bitte?" meldete sie sich. Ich hörte heraus, dass sie die Wahrheit hören wollte, und eine Entschuldigung.
"Hör zu," sagte ich "ich war viel zu aufgeregt um mit Dir zu sprechen. Sicherlich hatte es ich nicht so sehr eilig, als dass ich nicht 5min Zeit gehabt hätte. Du hast recht, das war unmöglich von mir. Bitte entschuldige!" "Na bitte, geht doch. Entschuldigung angenommen." Puuuh, ich hatte die Kurve noch bekommen! "Ich hab mich gefühlt wie ein Teenager vorm ersten Date.
Und du erinnerst Dich ja sicherlich noch an mein erstes Date..." "Oh ja, allerdings" sagte Sonja "Wie könnte ich das vergessen. Ich denke sogar oft daran zurück."
Wir kamen ins Gespräch, unterhielten uns über die Zeit nach unserer Jugendliebe im Schnelldurchlauf. Sonja war wie ich geschieden - welch ein Glück!!! - hatte zwei Kinder,
aber im Gegensatz zu Elke und mir war die Beziehung zu ihrem Ex eher stressig und
unerfreulich schlecht. Wir redeten und redeten, und die Zeit verging wie im Flug.
"Du sag mal" fragte ich, "sollen wir nicht mal nen Kaffee trinken gehen?" Ich musste vor Aufregung schlucken. "Wäre doch mal schön, oder?"
"Liebend gerne, würde mich auch freuen. Lass mal sehen..."
Wir verabredeten uns für den Samstag nachmittag. Sonjas Kinder waren bei ihrem Vater, und auch mein Kurzer war mit Elke und ihrem Neuen übers Wochenende unterwegs. Top Timing!
"Soll ich Dich abholen, oder treffen wir uns irgendwo?" fragte ich noch.
"Du holst mich ab, ich sage dir, wo es hingeht, ok?" "OK, ich freu mich" sagte ich.
"Ich mich auch mein Lieber, ich mich auch" Das klang doch vielversprechend, ich hatte ein erstes Date mit meinem allerersten Date...