Inzwischen war es dunkel geworden. Das brummen des Motors hätte einschläfernd wirken können, wären nicht meine Gedanken im Kopf Karussell gefahren. Wir schwiegen beide. Wenn ich aus den Augenwinkeln neben mich sah, konnte ich das angespannte Gesicht meines Mannes erkennen. Stur sah er gerade aus, hielt das Lenkrad so fest in seinen Händen, dass sich die Venen und Sehnen deutlich abzeichneten. Das Radio dudelte irgendeine Musik, unterbrochen von Verkehrsdurchsagen und Reportagen. Kein Wort fiel. Es war alles gesagt, was zu sagen gewesen war.
Lichter kamen uns entgegen, hin und wieder scherte mein Mann aus, um einen langsamer fahrenden Wagen zu überholen. Selbst sein sonst übliches Rumgemeckere über die Kriecher und notorischen Linksfahrer kam heute nicht. Ich hatte keinen Blick für den Verkehr, für die Städte und Ortschaften, die an uns vorbei zogen. Meine Gedanken waren ganz weit weg und mein Blick war stur in die Ferne gerichtet.
Gestern war der letzte Schultag gewesen. Lara und Lukas, 12 und 10 Jahre alt, waren rumgewuselt, hatten vor lauter Übermut und Reisefieber Hummeln im Hintern. Sie konnten nicht still sitzen und selbst der Kampf um Computer- und Fernsehzeiten fiel an diesem Tag aus. Um sie aus den Beinen zu bekommen, hatte ich sie aufgefordert, ihre Taschen zu packen. Die spätere Kontrolle ergab, das Lara mit ihren gepackten Sachen ohne Probleme einen vierwöchigen Urlaub hätte bestreiten können, wohingegen Lukas Kickschuhe, sein Lieblingstrikot und zwei paar Sporthosen als ausreichend ansah.
Ich forderte Lara auf, ihre Klamotten auf maximal die Hälfte zu reduzieren und Lukas, auch daran zu denken, dass es so nützliche Sachen wie Zahnbürste, Unterwäsche, lange Hosen und normale Shirts gab. Maulend zogen sich die zwei in ihre Zimmer zurück. Später verschwand Lukas zum Training und Lara ließ sich von ihrer Freundin Simone ablenken.
Wie so häufig in letzter Zeit, kam mein Mann sehr spät vom Büro nach Hause. Stumm wie ein Fisch ging er nach oben und zog sich um. Beim späteren Abendessen redete er auch nicht viel, verkündete müde zu sein und erklärte, dass er am nächsten Morgen ausschlafen wolle, wenn er schon fahren müsse. Nach dem Abendessen, das keinesfalls harmonisch verlief, schickte ich die Kinder ins Bett. Ich räumte den Tisch ab und machte die Küche sauber, während mein Mann sich die Nachrichten ansah.
Schließlich saßen wir stumm nebeneinander auf dem Sofa. Das Fernsehprogramm war nicht sonderlich prickelnd und so drückte ich den roten Knopf auf der Fernbedienung. Immer noch schwiegen wir. Doch ich wollte das Schweigen nicht länger hinnehmen und begann mit einem Gespräch. Da ich nur einsilbige Antworten bekam, stand ich nach einiger Zeit auf und ging, mit einem kurzen Abstecher in das Bad, ins Bett. Obwohl ich mir Mühe gab, mein durchaus spannendes Buch weiter zu lesen, konnte ich mich nicht konzentrieren. Es musste etwas geschehen, sonst war unsere Ehe bald zu Ende.
Etwas später kam mein Mann ebenfalls ins Bett und blätterte noch für ein paar Minuten in irgendwelche Akten herum, bevor er sein Licht löschte und sich auf die Seite drehte. Auch ich legte mein Buch weg, machte nun meinerseits das Licht aus und starrte ins Dunkel. Mein erster Versuch, mit ihm zu reden, war reichlich schief gegangen. Ich beschloss, es in den nächsten Tagen noch einmal zu versuchen. Die Gelegenheit schien günstig. Die Kinder waren für eine Woche bei meinen Eltern und wir hatten endlich mal wieder Zeit für uns.
Fast wäre ich eingeschlafen, da begann mein Mann von sich aus, das heikle Thema anzusprechen. Erst zögerlich und stockend, dann aber immer flüssiger und bestimmter, sagte er mir, was er empfand. Die Deutlichkeit seiner Worte schnitt mir in die Seele. Als er nach einiger Zeit schwieg, begann ich mit meiner Verteidigung, die mehr ein Angriff war. Schonungslos sagte ich ihm, dass seine Zärtlichkeiten, wenn ich sie überhaupt bekam, erniedrigend belanglos erschienen, so als würde er nur eine lästige Pflicht erfüllen. Die Retourkutsche kam sofort und knallhart. Meinst du es macht mir Spaß, wenn du nur daliegst und hinhältst? Harte Worte, die mir die Tränen in die Augen trieben.
Er hatte ja Recht. Schon lange hatte ich nicht mehr die Initiative ergriffen, hatte darauf gewartet, dass er anfing. Ja, ich hatte sogar wieder angefangen, vor allen Dingen, wenn ich morgens alleine war, mich selbst zu befriedigen. Erst nur mit den Fingern, dann später, als ich es gar nicht mehr aushielt, hatte ich mir im Internet so ein Teil bestellt. Gut versteckt lag es zwischen meinen Dessous im Nachttisch. Und trotzdem, ich meinte, dass die Schuld bei ihm lag. Zumindest zum Großteil. Warum läuft das immer so mechanisch ab? Warf ich ihm vor. Er konterte, dass ich mit meiner lustlosen Art, jede Kreativität in ihm unterdrücken würde.
Beide schweigen wir eine lange Zeit. Ich versuchte mein Schluchzen zu unterdrücken. Warum war alles so anders geworden? In unserer Anfangszeit hatte es kaum eine Nacht gegeben, in der wir keinen Sex gehabt hatten. Und nicht nur in der Nacht. Da war manches Wochenende gewesen, an dem sämtliche vorher gemachten Pläne Makulatur geworden waren, weil wir es aufregender fanden, das Bett nicht zu verlassen.
Klar war das mit der Zeit weniger geworden. Irgendwann war Lara gekommen, später Lukas und die brachten unser Leben ganz schön durcheinander. Und dennoch hatten wir Zeit gefunden, unsere Liebe mit Leben zu erfüllen. Doch irgendwann war aus aufregenden Spielchen, bleierne und schließlich lustlose Routine geworden.
Wo kann es jedenfalls nicht weitergehen! Auch wenn ich ihm zustimmte, die Härte und Bestimmtheit seiner Worte, trafen mich wie ein Pfeil. Und dann machte er diesen folgeschweren Vorschlag, der mir ob der Konsequenz die er beinhaltete, fast das Herz abschnürte. Ohne zu wissen warum, stimmte ich nach einigem Zögern zu, noch völlig unwissend, wie wir das bewerkstelligen sollten und was für Folgen es für uns haben würde.
In dieser Nacht schlief ich nicht sehr viel und versuchte die Angst zu ignorieren, dass der Versuch zum Scheitern verurteilt war und das in der Folge, unsere Ehe zerbrechen würde. Nein, es war keine gute Nacht für mich!
Das Brummen des Motors änderte sich. Ich hörte, wie mein Mann einen Gang herunterschaltete. Wir verließen die Autobahn. Aus Erfahrung wusste ich, dass es nur noch wenige Minuten dauern würde, bis wir vor unserem Haus sein würden. Noch zwei Ampeln und ein paar kleine Sträßchen und wir waren da.
Mit laufendem Motor blieb mein Mann stehen. Er sah mich nicht an, als ich die Tür öffnete und ausstieg. Für einen Moment zögerte ich und sah in den Wagen zurück. Willst du nicht doch rein kommen? Fast bittend stellte ich die Frage. Lass uns noch einmal darüber reden! Drängte ich. Doch er schüttelte nur den Kopf und sah weiterhin gerade aus. Ich schlug die Tür zu und blieb einfach stehen. Mein Mann ließ den Motor aufheulen und fuhr rückwärts aus der Einfahrt. Selbst als er auf die Straße einbog, hatte er keinen Blick für mich.
Alles in Ordnung? Eine Stimme ließ mich zusammen schrecken. Ich riss den Kopf herum und stand direkt vor meiner Nachbarin Susanne. Aber ja doch! Alles in Ordnung! Schönen Abend noch! Mit diesen Worten drehte ich mich um und floh mit schnellen Schritten in das Haus. Die neugierigen, mitleidsvollen Blicke meiner Nachbarin spürte ich wie Dolchstöße in meinem Rücken.
Müde, als sei ich hundert Jahre alt und nicht gerade erst vierzig geworden, ließ ich mich in einen Sessel fallen und starrte auf die Wanduhr. Zerteilte dieses Erbstück meines Schwiegervaters die noch verbleibende Dauer meiner Ehe in mundgerechte Stücke? Das war durchaus möglich, sollte der Versuch nicht glücken. Und nicht zum ersten Mal an diesem Tag fragte ich mich, ob ich das überhaupt noch wollte. Waren es nur die Kinder, die uns noch zusammen hielten? Lange saß ich so da und hing meinen Gedanken nach.
Dann schrak ich hoch und sah genauer auf die Uhr. Ich hatte eine Entscheidung gefällt. Immer noch seltsam müde, aber irgendwie auch voller Anspannung und nervöser Erwartung, ging ich nach oben und betrat das Bad. Langsam zog ich mich aus und betrachtete mein Spiegelbild.Etwas größer als 1,75, mit einigermaßen schlanker Figur und den Rundungen an den richtigen Stellen, sah ich für mein Alter noch ganz passabel aus. Klar, die zwei Schwangerschaften hatten Spuren hinterlassen, aber regelmäßige Gymnastik und maßvolles Essen hatte dafür gesorgt, dass ich mich nicht verstecken musste.
Langsam betrat ich die Dusche und suchte unter den vorhandenen Fläschchen, mein sündhaft teures Lieblingsduschgel heraus. Ich genoss den weichen Schaum und den verführerischen Duft. Lange blieb ich noch unter dem warmen Wasserstrahl stehen. Dann verließ ich die Dusche und setzte mich in die Wanne auf deren hinteren Rand. Vorhin, beim betrachten meines Spiegelbildes war mir aufgefallen, wie nachlässig ich geworden war. Beine und Achselhöhlen rasierte ich regelmäßig, aber zwischen meinen Beinen war seit dem letzten Mal ein kleiner Busch gewachsen. Auch der musste weg.
Sorgsam schäumte ich mich ein und begann mit meinem kleinen Schaber sämtliche Härchen zu entfernen, derer ich habhaft werden konnte. Es ist seltsam. Frau muss ja bei dieser Aktion auch zugreifen, muss sich die Lippchen aufziehen und festhalten und sorgsam darauf achten, dass sie sich nicht verletzt. Wie unterschiedlich man sich dabei fühlen konnte. Manchmal wurde jede dieser Berührungen beinahe zur Qual, förderte die Erregung und manchmal war es ein völlig emotionsloser Vorgang. So wie heute zum Beispiel. Nichts, aber auch gar nichts tat sich, als ich die Rodung vornahm. Auch nicht, als ich mit der Handbrause, den überflüssigen Schaum wegspülte, sonst eher einer von den kritischen Momenten.