Obwohl sie ein Jahr später zu studieren angefangen hatte als ich, war sie vor mir fertig. Anke studierte Informatik und ich Volkswirtschaft. Anke wurde Chefin der Systemadministration eines EDV-Dienstleisters für eine Bankengruppe und ich wurde Makler. Wir sahen uns seltener, weil wir beide immer mal wieder Beziehungen hatten, aber zu den Geburtstagen und auch sonst hin und wieder, besuchten wir uns.
Mein Büro wuchs und meine Beziehung zu Heike nahm Formen an. Heike sah in Anke keine Bedrohung und so war sie auch bei unserer Hochzeit dabei. Später wurde sie, gemeinsam mit Heikes Lieblingsbruder, Patin von Jessica.
Und Anke war auch mein Kummerkasten gewesen, als Heike mir wenige Wochen nach meinem vierzigsten Geburtstag und dem heißen Vormittag im Bett erklärte, dass sie sich von mir trennen würde. Der Schock saß tief und noch mehr biss der Schmerz, dass es ausgerechnet Jörg war, den sie als neuen erkoren hatte.
Heike zog aus und nahm Jessica mit. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und fragte mich nach dem Warum. Eine Antwort fand ich nie, aber etwas anderes bekam ich heraus. Heikes Beziehung zu Jörg hatte schon lange vor meinem Geburtstag angefangen. Die Dessous, das rasierte Schneckchen, ja selbst das Melken meines Schwanzes war nicht ihre eigene Idee, sondern im Liebesspiel mit Jörg entstanden. Noch heute packte mich der Zorn bei dem Gedanken, wie sie mich hintergangen und mir vorgegaukelt hatte, das alles für mich zu tun.
Der Gedanke an ihr Schauspiel nahm mir jegliche Lust auf eine Beziehung.
Drei Jahre war ich jetzt alleine, drei Jahre, in denen ich nur sporadisch Sex gehabt hatte, One Night Stands, die mir wenig gaben und die in mir die Frage hinterließen, ob ich jemals überhaupt wieder richtig guten und freudvollen Sex haben würde. Ich kam langsam zu der Überzeugung, dass es besser war, die Hände zu benutzen, als eine Frau zu erobern.
Der Tag verging. Ich führte viele Telefongespräche und zu meiner Freude rief sogar Jessica an, zu der ich sonst wenig Kontakt hatte. Sie versprach, dass sie mich in den nächsten Tagen besuchen würde. Nur heute ginge das nicht, weil sie mit ihrer Clique verabredet sei. Wann war sie das nicht? Aber so sind Teenager nun mal.
Kurz vor sieben, begann ich mich fertig zu machen. Immer noch wusste ich nicht, ob ich mich auf den Abend freute, aber ich gab mir Mühe. Lange stand ich unter der Dusche, rasierte mich und zog mich an. Dann ging ich aus dem Haus, lief beim Supermarkt vorbei, weil mir die Zigaretten ausgegangen waren und setzte mich dann in die Bahn um die wenigen Kilometer in die Innenstadt damit zurück zulegen. Ein Glas Wein wollte ich schon trinken und verzichtete deshalb auf das Auto. Für was gab es sonst die Öffentlichen?
Kurz vor acht war ich am Ziel. Anke kurvte gerade auf den Parkplatz des Lokals. Lächelnd stieg sie aus, kam auf mich zu, umarmte mich und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange. Noch einmal kroch sie in ihr Auto und kam mit einem Päckchen wieder zum Vorschein. Drinnen bekommst du es. Ihre Herzlichkeit ließ mich erkennen, dass ich mich doch auf den Abend mit ihr freute. Auch ohne das Geschenk.
Wir saßen am bestellten Tisch und warteten auf das Essen. Unsere Unterhaltung ging entspannt und leise hin und her, Da wir uns einige Wochen nicht gesehen und auch nicht telefoniert hatten, wussten wir beide viel zu erzählen. Das Essen kam und wir genossen die Kunst des Küchenchefs.
Erst beim Espresso, schob mir Anke das Päckchen über den Tisch zu. Soll ich es gleich aufmachen? Anke nickte und sah mich erwartungsvoll an. Vorsichtig entfernte ich den Bändel und öffnete das Papier. Ein altes Buch kam zum Vorschein, aber ich erkannte es auf den ersten Blick. Ich war wieder zehn Jahre alt und hielt mein absolutes Lieblingsbuch in der Hand. Feuerspringer über Arizona. Hunderte Male hatte ich es gelesen, bis ich es irgendwo liegen ließ. Alle Mühe war umsonst, ich bekam es nie wieder.
Und Anke, die Gute, hatte irgendwo ein Exemplar aufgetrieben. Liebevoll streichelte ich über den Einband. Schon jetzt freute ich mich auf die Nacht. Gemütlich im Bett liegend würde ich, das war sicher, das Buch in einem Rutsch lesen. Danke! Was für eine Freude! Meine Augen strahlten.
Leise unterhielten wir uns, wie es gute Freunde eben tun. Ich war froh, dass in diesem Lokal nicht allzu viel los war. Doch plötzlich änderte sich das. Die Tür ging auf und eine Gruppe junger Frauen, alle mit dem gleichen T-Shirt angetan, betrat lautstark das Lokal. Eine trug einen Bauchladen und ging damit, begleitet von ein paar Freundinnen von Tisch zu Tisch. Ein Jungesellinnenabschied. Die Damen waren schon ganz schön angeschossen und versuchten irgendwelche Kleinigkeiten, wie Teesiebe und was weiß ich, an den Mann zu bringen. Die meisten Gäste kauften etwas und so sah ich mich fast schon gezwungen, das selbe zu tun, als sie zu uns kamen.
Der Bauchladen war geplündert. Nur noch zwei, drei kleine Gegenstände langen drin. Die Damen tuschelten und glucksten, dann kam die offensichtliche Braut zu mir, sah mich an, ließ den Blick zu Anke schweifen und warf mir ein Päckchen auf den Tisch. Hier, das schenke ich euch. Ihr sollt auch Spaß haben heute Nacht. Mit einem Blick sah ich, dass es ein Kondom war. Anke grabschte danach und betrachtete es. Haltbar bis 2015. Mal sehen, vielleicht findet einer von uns ja eine passende Gelegenheit bis dahin. Dann legte sie es mitten auf den Tisch.
Die Gesichtszüge der Braut entgleisten. Dann halt nicht! Achselzucken verschwand sie mit ihrer Entourage. Aber sie blieben im Lokal und belegten es mit einem Geräuschpegel aus lachen und reden.
Wieder ging die Tür auf. Diesmal war es eine Horde junger Männer. Ebenfalls schon sehr angeheitert und ebenfalls durch T-Shirts als Junggesellenabschied zu erkennen. Das konnte lustig werden. Die Herren wollten nichts verkaufen, sie wollten nur tanken. Beide Gruppen trafen lautstark aufeinander und der Krach nahm zu. Eine Unterhaltung war nur noch schwer möglich.
Wir versuchten es dennoch, wurden aber immer wieder abgelenkt. Im gleichen Maß, wie der Lärm zunahm, vermischten sich die beiden Gruppen. Obwohl sie ganz offensichtlich wirklich nicht zusammen gehörten, konnten wir feststellen, dass einige der Herren Gefallen an einigen der Damen gefunden hatten und umgekehrt. Direkt neben uns waren zwei schon so heftig am knutschen, dass ich jeden Moment damit rechnete, er würde sie über den Tisch legen.
Wie bitte? Ich hatte nicht verstanden, was Anke zu mir gesagt hatte und wurde erst aufmerksam, als sie ihre Hand auf meine legte. Anke beugte sich näher zu mir. Das wird nichts mehr. Wollen wir nicht lieber gehen? Ich nickte, winkte die Bedienung herbei und bezahlte. Schon waren wir am Ausgang, als ich noch einmal zurück lief. Ich hatte das Buch liegen lassen. Das Kondom lag ebenfalls noch auf dem Tisch. Mechanisch hob ich es auf und steckte es ein.
Draußen blieben wir für einen Moment stehen. Wo hast du dein Auto? Zu Hause, grinste ich. Komm, ich fahr dich heim! Dankbar nahm ich an. Noch waren wir auf dem Parkplatz, als Anke mich ansah. Weißt du was? Eigentlich ist es noch früh. Aber zu spät, irgendwo noch was Nettes zu finden. Was meinst du, sollen wir zu mir fahren und noch ein Glas Wein trinken? Ich hatte nichts dagegen.
Leise Musik lief und unsere Unterhaltung ging nun völlig ungestört vonstatten. Einen Moment des Schweigens unterbrach Anke mit einer zögerlichen Frage. Du musst nicht antworten, aber ich würde schon gerne wissen, was da mit dir und Heike los war. Was um alles in der Welt hat die denn geritten, sich in diesen Jörg zu vergucken? Ich wusste es immer noch nicht und versuchte Erklärungen.
Anke hörte aufmerksam zu. Ich weiß nicht, das ist alles nicht schlüssig. Oder sag mal, hat es bei euch sonst nicht gestimmt? Wie meinst du das? Sie zuckte mit den Schultern. Im Bett vielleicht? Diese Frage hatte ich mir auch schon oft gestellt, ohne eine zwingende Antwort zu finden. Ich weiß es nicht! Meinst du, es ist ihr zu langweilig geworden?
Woher sollte ich das wissen? Eigentlich hatte ich geglaubt, dass wir keine Probleme hatten. Zwei, drei Mal in der Woche hatten wir miteinander geschlafen, oder einfach nur so Sex gehabt. Meine Gedanken gingen wieder drei Jahre zurück und ohne dass ich es merkte begann ich, Anke von diesem Vormittag zu erzählen.
Ich weiß nicht, wie es Anke dabei ging, für mich war das eine Erzählung ohne Erregung. Sachlich nüchtern, beschrieb ich ihr, was an diesem Vormittag geschehen war. Dabei bemühte ich mich mehr zu umschreiben, denn zu beschreiben. Irgendwie scheute ich mich davor, es zu genau zu schildern. Als ich fertig war, schwiegen wir beide.
Ich suchte nach einem Taschentuch und zog mit ihm gleichzeitig das Kondom aus der Tasche. Für einen Moment betrachtete ich es, dann ließ ich es auf den Tisch fallen. Ich denke nicht, dass ich es brauchen werde! Anke schwieg.
Darf ich dich noch etwas fragen? Ich sah sie an. Immer doch! Es schien, als suche sie nach den richtigen Worten. Und du? Warst du zufrieden, wie es war? Und als ich nicht gleich antwortete, ich meine, hattest du keine Fantasien, die du nicht ausgesprochen hattest? Hatte ich? Keine Ahnung. Und ob ich zufrieden war, wie es mit Heike war?
Ich denke schon, dass ich zufrieden war. Heike war anschmiegsam und nicht gerade inaktiv. Sie hat sich schon genommen, was sie wollte und brauchte und oft hat sie auch den Anfang gemacht. Und Fantasien? Ich denke, jeder hat mal die eine oder andere Fantasie. Anke nickte. Wolltest du jemals mit einer anderen Frau Sex haben? Ich lächelte sie an. Mit einer anderen schon, aber nicht mit einer bestimmten! Ich sah große Fragezeichen in ihren Augen. Das verstehe ich nicht!