Auf dem Weg nach Hause, dachte ich über Zufälle nach. Den Zufall, Sonja getroffen zu haben, den Zufall, mit Andrea an den gleichen Urlaubsort gefahren zu sein und den Zufall, Denise, die Psychologin, getroffen zu haben. Sie war Referentin bei einem Seminar der örtlichen IHK gewesen, bei dem auch ich einen Vortrag gehalten hatte. Und wieder war es Zufall, der uns, unabhängig von einander, an diesem Abend ins gleiche Restaurant geführt hatte. Sie war nach mir gekommen und hatte mich gegrüßt. Ich hatte ihr einen Platz angeboten und sie hatte sich zu mir gesetzt. Gegen 20.00 Uhr hatten wir uns zufällig getroffen und gegen Mitternacht, hatte uns die Bedienung rausgeschmissen. Wir waren die letzten Gäste gewesen. Und während der ganzen Zeit hatten wir uns angeregt unterhalten. Sie musste gespürt haben, dass mich etwas bedrückte, denn als sie mir auf der Straße eine gute Nacht wünschte, drückte sie mir ihre Karte in die Hand. Vielleicht sollten Sie mich mal anrufen.
Fast einen Monat hatte ich gebraucht, um dieses Angebot anzunehmen und eine Woche lang hatte ich ihr dann Nachmittag für Nachmittag mein Leben ausgebreitet. Seltsamer Zufall! Doch jetzt wollte ich nicht mehr grübeln. Diese Seelenschau hatte mich irgendwie unruhig gemacht. Was, wenn sie recht hätte? Suchte ich wirklich einen Menschen fürs Leben? Ich glaubte das verneinen zu können. Was ich brauchte, war heißer und geiler Sex. Und zwar möglichst bald. Seit Weihnachten hatte ich keine Frau mehr gehabt. Und jetzt war es August!
Ich beschloss, diesen unmöglichen Zustand zu ändern. Ein Schild stach mir ins Auge. Ü-40-Party in der Festhalle. Da würde ich heute abend hingehen und sehen, was sich für Möglichkeiten boten. Ein Blick auf die Uhr. Vier Stunden noch. Also zuerst zum Friseur, dann nach Hause, duschen und fertig machen und dann mal sehen, was ging! Ich, eine Frau fürs Leben? Nicht doch! Nur eine Frau für die Nacht!
Mehr als zweihundert Menschen waren zur Party gekommen. Allerdings in der Mehrzahl Paare. Gut, ein paar Singlefrauen waren auch dabei, aber keine, die mich ansprach. Keine entsprach meinem Beuteschema. Aber was nicht war, konnte ja noch werden. Irgendwann ging ich an die Bar um mein Jagdrevier zu erweitern. Ich ließ mir einen Whiskey geben und gerade, als ich ihn in der Hand hielt, hörte ich eine Stimme hinter mir. Wieder auf der Jagd? Ich drehte mich um. Vor mir stand Denise Roland und grinste mich spöttisch an. Sicher! Meinte ich leichthin. Und Sie? Sie grinste mich noch mehr an. Ich? Ich will nur ein Glas Sekt trinken! Spontan lud ich sie dazu ein. Doch diesmal wollte kein Gespräch aufkommen.
Als unsere Gläser leer waren, stand sie auf. Waidmanns Heil! Und wieder war der spöttische Unterton in ihrer Stimme. Waidmanns Dank! Antwortete ich automatisch. Und schon war sie verschwunden. Auch ich verließ die Bar. Wohin? Natürlich ins Freie. Dämliches Rauchverbot! Draußen entfernte ich mich ein Stück von der Halle, setzte mich auf eine Bank und rauchte in Gedanken versunken eine Zigarette. Dachte ich es mir doch, dass ich Sie hier finden werde! Wieder die Psychologin!
Mit dem Rücken zu mir, auf der Lehne der Bank sitzend, fragte sie den sternenübersäten Nachthimmel, wissen Sie, was ich nicht verstehe? Ich hatte keine Lust auf eine Unterhaltung, fragte aber mechanisch, was denn? Sie sah mich immer noch nicht an. Ein Mann wie Sie. Im besten Alter, intelligent, eloquent, sprachgewandt und nicht uninteressant, warum muss ein Mann wie Sie immer nur dem Sex hinterher rennen? Weil Sex Spaß macht? Bot ich als Antwort an. Und dann, als sie nichts darauf sagte, etwas hämisch, oder macht Sex Ihnen keinen Spaß?
Doch tut er das. Aber ich bin kein Tier! Was soll das nun schon wieder heißen? Meinen Sie, ich bin eines? Ruckartig drehte sie den Kopf. Da bin ich mir nicht so ganz sicher. Aber auf jeden Fall behandeln Sie die Frauen wie Tiere! Ich widersprach vehement. Auf keinen Fall. Ich will, dass es den Frauen gut geht. Ich nehme sie nicht, sondern ich verwöhne sie! Sie sah mich mit ihren durchdringenden Augen an. Doch tun sie das. Sie reduzieren die Frauen nur darauf, Sexobjekt zu sein. Meinen Sie nicht, dass Frauen Gefühle haben? Natürlich haben Frauen Gefühle. Jeder Mensch hat Gefühle. Ich hatte auch welche, aber die Frauen in meinem Leben haben mich gründlich davon geheilt als sie mit meinen Gefühlen gespielt haben!
Dann würde ich mir mal an Ihrer Stelle überlegen, woran das liegt. Sie drehte sich um und verschwand. Ich brauchte eine weitere Zigarette, um mich zu beruhigen. Was fiel denn der ein? Das hatte ich nun wirklich nicht nötig! Dumme Pute! Sollte sie doch vor ihrer eigenen Haustüre kehren. Sie hatte ja schließlich auch keinen Stecher! Oder warum war sie sonst alleine hier? Ich war stinksauer und beschloss, diese Frau nie wieder zu sehen. Ich warf die Kippe weg und stürmte in den Saal zurück. Jetzt erst Recht. Ich würde für heute Nacht eine Frau finden. Egal, wie, egal, welche! In spätestens zwei Stunden würde ich mit einer Frau im Bett liegen und endlich wieder Sex haben. Heißen, geilen Sex!
Doch zurück in der Halle, hatte ich plötzlich keine Lust mehr, auf die Jagd zu gehen. Ehrlich gesagt, gefiel mir keine der Frauen wirklich. Und als eine eigentlich ganz ansehnliche Blondine mich ansprach und fragte, ob ich mit ihr in die Bar gehen wolle, lehnte ich dankend ab. Diese blöde Psychologin konnte einem aber auch den ganzen Spaß verderben, mit ihrem hochgestochenen Gequatsche! Ich beschloss, dass es Zeit ist, zu gehen. Die Party ödete mich an.
Na, kein Jagdglück gehabt? Oder war Blondinchen nicht nach ihrem Geschmack! Eigentlich wollte ich vorbei gehen, dann blieb ich doch stehen. Nein, Blondinchen war nicht nach meinem Geschmack. Außerdem, ich bin doch ein Mann im besten Alter, intelligent, eloquent, sprachgewandt und nicht uninteressant. Da habe ich was Besseres verdient! Plötzlich hörte ich sie lachen. Seien Sie mir nicht allzu böse. Ich meine es nur gut mit Ihnen. Jetzt drehte ich mich schnell zu ihr um. Das nennen Sie gut meinen? Dann möchte ich nicht wissen wie es ist, wenn Sie es mit jemanden schlecht meinen. Ihr Gesicht wurde ernst. Kommen Sie, wir gehen ein Stück spazieren! Ohne das ich es eigentlich wollte, stimmte ich zu.
Nach ein paar hundert Metern schob sie ihren Arm unter den meinen. Schauen Sie Roger, Sie sind wirklich all das, was ich gesagt habe. Aber sie vergessen, dass der Mensch auch eine Seele hat. Diese Seele braucht auch Nahrung. Genau, wie der Körper. Und die Nahrung der Seele, ist Gefühl. Dieses Gefühl können Sie nur mit dem Herzen zu sich nehmen und keinesfalls mit ihrem Schwanz. Es dauerte einen Moment bis ich realisierte, dass sie Schwanz gesagt hatte. Ich blieb stehen. Dieses Wort aus Ihrem Mund? Wieder lachte Sie, leise diesmal. Wenn Sie es noch nicht bemerkt haben, ich bin eine Frau. Hab ich! Was glauben sie eigentlich, was in mir vorging, als sie mir von Ihren Amouren und Liebesabenteuern erzählt haben? Ich zuckte mit den Schultern. Sie stellte mich vor mich.
Ich verrate Ihnen jetzt mal was. Jedes Mal, wenn Sie gegangen sind, bin ich schnurstracks nach Hause gefahren, hab mir meinen Vib geschnappt und es mir selbst besorgt. Und das nicht nur einmal. Und noch etwas verrate ich Ihnen. Ich habe diese Frauen beneidet. Ich mag nämlich auch Sex und ich bekomme ihn viel zu selten. Aber im Gegensatz zu Ihnen, will ich Gefühle dabei haben. Nicht nur in der Muschi, sondern auch in der Seele. Mit jedem Wort war sie leiser geworden. Den letzten Satz hatte sie fast nur noch geflüstert.
Ich schwieg. Und sie sagte auch kein Wort. Eine lange Zeit. Plötzlich drehte sie sich von mir weg, aber ich hatte den Schimmer in ihren Augen gesehen. Ich hätte gerne Sex mit dir gehabt, aber weißt du, was mich abstößt? Sie drehte sich zu mir. Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich es mir denken konnte. Wenn ich mit dir ins Bett gegangen wäre, hätte ich mich verkauft. Ich hätte für dich die Beine breit gemacht und mich von dir ficken lassen! Ich... Lass mich ausreden. Oh ja, ich weiß, du hättest dir Mühe gegeben und mich kommen lassen. Aber ich hätte zu jedem Zeitpunkt gewusst, dass du es nur mit mir machst, weil keine Andere da ist. Ich wäre austauschbar gewesen. Reduziert auf Muschi und Titten! Ersetzbar, durch jede Frau, die dich in ihr Bett holt. Was sollte ich dazu sagen? Nichts, denn sie fuhr schon fort.
Ich weiß zu gut, dass zu Sex nicht unbedingt Liebe gehört. Aber Gefühle gehören dazu. Man muss jemanden mögen und nicht nur seinen Schwanz geil finden, oder ihre Muschi! Verstehst du? Da muss einfach mehr sein, als nur Sex. So, wie du es mit Andrea gemacht hast, war es nur Sex. Ihr hattet nichts gemeinsam, nur Sex und immer wieder Sex. Ihr habt euch nur zu Sex getroffen. Hat du eigentlich auch nur einmal gewusst, wie es ihr geht, welche Sorgen sie hat und welche Ängste? Wieder schwieg ich.
An Weihnachten, du hast ihr nur einen Vib geschenkt. Warum kein Halstuch, oder ein Parfum? Ich sage es dir. Sie selbst, also der Mensch Andrea, hat dich nicht interessiert! Nur ihr Körper und davon auch nur ein paar Stellen! Auch darauf wusste ich nichts zu sagen, denn mir wurde schlagartig klar, dass sie recht hatte. Ich gehe jetzt nach Hause. Schniefte sie. Wir sehen uns am Montagmittag. Und weg war sie. Ich blieb noch eine ganze Weile stehen und dachte über den Abend nach. Er war so völlig anders verlaufen, als ich mir das so gedacht hatte.