Vorbemerkung:
Hier habe ich eine Geschichte für euch, die ich vor ein paar Monaten geschrieben habe. Ich möchte sie euch nicht vorenthalten, denn jetzt müsst ihr leider wieder eine Weile warten, bis ich Zeit zum schreiben finde. Viel Spaß beim lesen. Euer Grumbel
Na ja, so etwas gemischte Gefühle hatte ich schon. Was sollte ich ältere Frau bei dem jungen Gemüse, das ganz sicher Janets Polterabend bevölkern würde? Und trotzdem, irgendwie freute ich mich auf diesen Abend. Es war schon ziemlich lange her, dass ich unbeschwert und ohne Verpflichtungen feiern konnte. Denn selbst dann, wenn ich frei hatte, konnte ich mich oft genug meinen Verpflichtungen nicht entziehen. Kann man eben nicht, wenn man Oberärztin ist. Da klingelt oft genug mitten in der Nacht das Telefon. Oder am frühen Sonntagmorgen. Und mehr als einmal war das in der Vergangenheit mehr als störend und sehr unpassend.
Egal, hier war ich fast 500 Kilometer von zu Hause entfernt. Und ich hatte eine Woche frei. Eine ganze Woche. Ich hatte mir für die Hochzeit meines Patenkindes frei genommen. Und als meine Freundin, Janets Mutter, interveniert hatte, auch noch zum Polterabend. Wie gesagt, eine ganze Woche Freizeit und Unbeschwertheit lagen vor mir, als ich an diesem Freitag am späten Nachmittag in dieser oberfränkischen Stadt aufschlug. Ich liebte diese Stadt mit ihrem historischen Stadtkern, mit den vielen schönen Kneipen und Biergärten, mit den Kirchen und den schattigen Plätzen.
Immer, wenn ich Sophie, meine Freundin, besucht hatte, hatte ich diese unbeschwerte Zeit in traumhafter Umgebung genossen. Hier war ich immer aufgeblüht und hier hatte richtig gelebt.
Jetzt also war ich wieder da und bezog mein kleines Zimmer in der Pension, in der ich immer abstieg, wenn ich länger hier blieb. Die Leute kannten mich gut genug und wussten, dass ich mich nicht in Formen und Regeln pressen ließ. Ich kam und ging, wie es mir in den Sinn kam und außer einem gemeinsamen Abendessen, nahm ich die Mahlzeiten entweder bei Sophie ein, oder ich genoss die herausragende Gastronomie.
Ich machte mich frisch, zog mir Jeans und T-Shirt an, nahm meine Jacke und verließ die Kemenate, um mich auf den Weg zum Ort von Janets Polterabend zu machen. Dem Himmel sei Dank für Navis.
Vielleicht sollte ich mich mal vorstellen. Mein Name ist Magdalena Schöpf. Ich bin Fachärztin für Anästhesiologie und Notfallmedizin in einem Krankenhaus der Maximalversorgung in Süddeutschland. Ich bin liiert, lebe aber dennoch allein und habe keine Kinder. Und ich bin 48 Jahre alt. Sophie kenne ich seit dem Studium in Heidelberg. Wir haben zusammen famuliert, haben unser Praktisches Jahr in der gleichen Klinik gemacht. Nach Abschluss des Studiums sahen wir uns weniger. Junge Ärzte haben enge Dienstpläne. Sophie arbeitete in der internistischen Abteilung einer Klinik, ca. hundert Kilometer entfernt.
Sophie verliebte sich in Sven, einen aufstrebenden Internisten, heiratete ihn und trat mit ihm in die Praxis seiner Eltern ein. Wenig später wurde sie schwanger, Janet wurde geboren und ich wurde Patentante.
Während Sophie eher den klassischen Weg ging, machte ich Karriere. Natürlich hatte ich auch meine Liebeserlebnisse. Das intensivste war wohl die Beziehung zu Jürgen, einem Kinderchirurgen. Oft hatten wir gemeinsam Hausdienst. Und regulären Nachtdienst. Und da fanden sich immer mal ein paar Minuten für traute Zweisamkeit. Aber dennoch war da immer die Angst, der vermaledeite Pieper würde losgehen. Und trotzdem war es eine schöne Zeit. Wir blieben eine ganze Zeit zusammen. Aber dann fand ich heraus, dass seine häufigen Nachtdienste nicht nur seinen kleinen Patienten, sondern auch einer OP-Schwester namens Miriam zugute kamen. Daraufhin trennten sich unsere Wege.
Danach versuchte ich, meine Freunde außerhalb des medizinischen Umfeldes zu finden. Klar, bevor ich endgültig in den Händen von Harald landete, gab es noch die eine oder andere Affäre. Zum Beispiel mit Hagen, einem der Rettungsassistenten, mit dem ich häufiger Nachtdienst hatte. Oder mit Achim, dem Piloten des Rettungshubschraubers. Alles heiße und schöne Erlebnisse, aber nie von Dauer! Jetzt war ich ruhiger geworden und genoss eine unproblematische Beziehung mit Harald, einem Verwaltungsjuristen. Wir behielten jeder unsere Wohnung, verbrachten so viel Zeit zusammen, wie wir konnten, gingen ins Kino und Theater, gingen auch schon dann und wann mal in eine Oper, aber vor allen Dingen genossen wir das Leben.
Und wir hatten Sex miteinander. Wie gesagt, ich war ruhiger geworden, wollte eigentlich nur Zärtlichkeit und Genuss und keinesfalls mehr Experimente. Harald war zuvorkommend und gut zu mir. Erließ mich schöne und besinnliche Orgasmen erleben und gab mir ein Gefühl von Nähe und Geborgenheit, wenn wir nach dem Sex zusammen Arm in Arm kuschelten. Doch, ich war rundum zufrieden.
Langsam ließ ich mein Auto über den Rollsplitt des großen Parkplatzes rollen. Hier im Clubhaus, sollte der Polterabend stattfinden. Das heißt, nicht im Clubhaus, sondern auf dem großen Freigelände dahinter. Kaum war ich ausgestiegen hörte ich schon den Lärm des Festes. Das Lachen der Gäste, die Musik, und das Scheppern, wenn wieder einmal jemand seinen Eintritt in Form von Keramik oder Porzellan bezahlt hatte. Ich ging um das Clubhaus herum und der Lärm wurde sofort um ein Mehrfaches lauter.
Tante Lena! Ich hörte den Aufschrei Janets. Sie hing im Arm eines jungen Mannes, der fast einen Kopf größer war als sie! Sie löste sich und kam auf mich zu gesprungen. Ich freu mich so! Und schon hing sie mir am Hals! Ich nahm den frischen Duft ihres Körper war und spürte, ihre Muskeln. Janet war eine durchtrainierte, junge Frau, die Sport nicht als Pflicht, sondern als Vergnügen sah. Sie löste sich von mir, nahm mich bei der Hand und zog mich zu dem jungen Mann. Das ist Benni! Und das ist meine Patentante Magdalena! Wir gaben uns die Hand. Gute Augen hatte der junge Mann, der sofort wieder seinen Arm um Janet legte. Doch, die zwei passten zumindest äußerlich gut zusammen.
Ich warf meine Mitbringsel, bestehend aus zwei Tortenplatten die genauso hässlich wie unpraktisch waren, auf den Scherbenhaufen, wo sie mit großem Getöse zerplatzen. Kunterbunt lagen die Scherben beieinander und Janet und Benni versuchten vergeblich, dem Chaos Herr zu werden. Ich machte mich auf die Suche nach meiner Freundin Sophie und fand sie bei einer anderen Frau stehend, mit der sie sich unterhielt. Vorher aber lief ich noch Sven in die Arme, der mich freundschaftlich umfasste und mir ein Küsschen auf die Wange drückte.
Nach dieser herzlichen Begrüßung, schleppte mich Sven zu seiner Frau. Die begrüßte mich ebenfalls mit einer Umarmung und stellte mich Bennis Mutter vor. Wir plauderten ein wenig, doch dann wurde Bennis Mutter von jemanden weg gerufen und Sophie und ich setzten uns an einen der Biertische. Natürlich hatten wir uns viel zu erzählen, aber das war wohl kaum der richtige Ort dafür. Kaum saßen wir, kam ein herziges, vielleicht zehnjähriges Mädchen angewuselt und fragte mich im fränkischen Dialekt. Magst was zu trinka? Nur einen Moment zögerte ich. Du, wir haben sogar Rauchbier! Meinte Sophie, die meine Schwäche für diese Spezialität kannte. Die Kleine nickte und wuselte davon. Wenig später war sie wieder da und brachte mir ein Glas. Stimmt schon, ich liebe diese fränkische Spezialität. Sie ist erfrischend, leicht und sehr süffig.
Die Kleine blieb stehen und fragte mich erneut, magst ah was vom Spanferkel? Ich nickte. Und an Salat dazu? Wieder nickte ich. Und schon wieder war sie weg. Wenig später brachte sie einen Teller anbalanciert, der für drei Personen gereicht hätte. Ich bedankte mich und fort war die Kleine. Sophie hatte auch ihr Glas dabei und während ich aß, unterhielten wir uns. Natürlich schaffte ich nicht alles, aber ich räumte doch gut auf dem Teller auf. Kaum hatte ich ihn zurück geschoben, kam Janet und zog mich lachend hoch. Komm, ich stell dir ein paar Leute vor. Und so lernte ich jede Menge junger Menschen kennen, die alle Freunde von Benni und ihr waren. Wer sollte sich die ganzen Namen merken? Nur Jasmin, eine ihrer Brautjungfern blieb mir im Gedächtnis, aber das auch nur, weil sie so eine prächtige, blonde Löwenmähne hatte. Um diese Haare beneidete ich die junge Frau.
Natürlich lernte ich auch noch andere Menschen kennen. Freund der Familien, Geschäftspartner von Benni und seinem Vater. Irgendwann war Janet dann plötzlich weg. Ich unterhielt mich noch ein Weilchen mit dem Grüppchen, bei dem ich gerade stand, dann aber setzte ich meinen Weg alleine fort. Es war ein wunderbarer Abend. Die Musik war angenehm und nicht zu laut und das eine oder andere Mal ertappte ich mich dabei, wie ich die Augen schloss und vor mich hin träumte.
Irgendwann wurde es dunkel und die Fackeln wurden angezündet. Das gab eine wirklich schöne Stimmung. Ich saß auf einer Bank und unterhielt mich mit einer Frau, die sich als Bennis Patentante vorgestellt hatte. Sozusagen, mein Pendant. Sie hieß Franziska, war um einiges älter als ich und äußerst redselig. Über jeden Vorbeikommenden, wusste sie etwas zu berichten. Ihre Plaudereien waren amüsant, wenn auch mit der Zeit ermüdend. Immerhin lernte ich auf diese Art ihren Neffen kennen, einen hoch aufgeschossenen Mann, etwa meinen Alters. Er hieß Max. Komm, setz die a wengerl zu uns, forderte sie ihn auf. Da saß er nun und plauderte mit uns. Ein interessanter Mann. Gebildet, klug, eloquent, eine Mischung, die man selten fand.