Irgendwann kam er mal wieder auf sein Angebot mich mitzunehmen, zu sprechen. Wir vereinbarten, dass ich am kommenden Sonntag auf den Segelflugplatz kommen sollte. Pünktlich war ich da. Was ich erwartete habe, weiß ich nicht. Aber ganz sicher nicht, dass Wolfgang sein eigenes Segelflugzeug hatte. Wolfgang nahm mich herzlich in Empfang. Er erklärte mir die Maschine, zeigte mir die Instrumente und zog mir einen Fallschirm an. Auch dessen Funktionsweise erklärte er mir aufs Genaueste und ließ mich seine Anweisungen wiederholen. Dann klemmten wir uns in das enge Cockpit. Ich vorne, er hinten. Einige Kommandos wurden über Funk gegeben und dann setzte sich das Flugzeug wackelnd und ruckelnd in Bewegung. Nicht eine Winde, sondern ein Flugzeug schleppte uns in die Höhe. Als Wolfgang ausklinkte und wir zum ersten Mal frei schwebten, hatte ich ein irres Gefühl.
Fliegen war einfach wunderbar. Wolfgang ließ mir Zeit, meine Eindrücke zu verarbeiten. Erst nach und nach begann er, mit mir zu reden.
Später hat mir Wolfgang versichert, dass der Flug über zwei Stunden gedauert hatte. Als wir gelandet waren, war ich ein Fan des Segelfliegens geworden. Wolfgang lud mich charmant in die Fliegerklause zum Essen ein. Es war schon ziemlich spät, als ich, noch ganz benommen von diesem herrlichen Tag in luftigen Höhen, in mein Bett fiel. Im Traum flog ich wieder mit Wolfgang. Aber Wolfgang war nicht das Subjekt meines Traumes, sondern das Fliegen ganz allgemein. Wolfgang war in diesem Falle nur Mittel zum Zweck.
Caro war schon lange aus ihrem Urlaub zurück. Glückstrahlend, denn Janis hatte sie gefragt, ob sie seine Frau werden wolle! Wie gesagt, ich gönnte ihr das Glück, aber es gab mir doch einen Stich. Wolfgang rief immer mal wieder an und lud mich zum mitfliegen ein. Das waren meine Glücksmomente. Dort oben vergaß ich für kostbare Augenblicke meine Situation. Aber diese Momente würden, zumindest vorerst, bald der Vergangenheit angehören. Wolfgang hatte mir beim letzten Flug gesagt, dass bald der letzte Flugtag sein würde. Im Winter steigen wir nicht auf! Verständlich, aber nicht unbedingt schön. Er hatte mich eingeladen, diesen letzten Flugtag mit zu feiern. Lange waren wir nicht in der Luft. Die Thermik spielte nicht mit. Zur Feier des Tages lud mich Wolfgang dann schließlich zum Essen ein. Entspannt saßen wir im Restaurant des Palasthotels. Das Essen war gut und der Wein, den Wolfgang ausgesucht hatte, schmeckte mir ausgezeichnet. Wolfgang drehte sein Glas in der Hand. Weißt du, was mich wundert? Nein! Jedes Mal, wenn ich dich angerufen habe, hattest du Zeit. Hast du eigentlich keinen Freund? Eine gefährliche Frage. Der Wein hatte mich mitteilsam werden lassen. Der Wein und die Tatsache, dass Wolfgang inzwischen mehr mein Vater war, als mein leiblicher Vater. Mit ihm hätte ich so nie reden können, war er doch ein cholerischer, herrschsüchtiger Machtmensch, der seine Familie fast schon unterdrückte. Mit Wolfgang konnte ich so reden. Mehr als einmal hatte er mir schon Hilfe in allen Lebenslagen gegeben. Nein, ich habe keinen Freund! Jetzt ebenfalls mit dem Glas in der Hand spielend, setzte ich hinzu, für mich scheint es kein Glück zu zweit zu geben. Ich habe nie den richtigen getroffen. Wolfgang schwieg und auch ich hatte dem nichts mehr hinzu zu fügen. Lange schwiegen wir. Bis Wolfgang leise meinte, und das macht dich traurig! Mehr eine Feststellung, als eine Frage. Ich nickte. Ohne es zu wollen, kullerten Tränen aus meinen Augen. Wolfgang bot mir ein Taschentuch an. Willst du darüber reden? Erst schwieg ich eisern, begann aber dann doch zögerlich. Ich weiß nicht. Irgendwas mache ich immer falsch. Ich finde nie den Richtigen und wenn ich dann meine, das könnte er sein, dann geht immer alles schief. Dann begann ich von meinen Erfahrungen zu erzählen. Wolfgang hörte mir aufmerksam zu.
Zwei Dinge scheinen mir wichtig zu sein, meinte er dann in eine lange Pause hinein. Das eine ist deine Einsamkeit. Die kann dir niemand nehmen. Da musst du einfach warten, bis sich die Situation ändert. Aber keine Angst, du wirst schon noch den richtigen treffen. Vielleicht hält das Schicksal für dich noch eine ganz besondere Überraschung bereit Ich starrte ihn über die Kerze hinweg an. Das zweite, ist deine Sehnsucht, nach Geborgenheit und Zärtlichkeit. Ich kann verstehen, dass du diese Sehnsucht hast und ich kann auch verstehen, dass du bisher keine Erfüllung gefunden hast. Wie bitte? Wie meinte er denn das? Aber Wolfgang sprach sofort weiter. Geborgenheit und Zärtlichkeit sind Dinge, die man sich verdienen muss. Ihr jungen Leute huscht heut zu Tage sofort miteinander ins Bett. Die einzige Frage, die ihr euch stellt ist, ob der andere gut im Bett ist. Aber was bedeutet das denn? Wann ist jemand gut im Bett? Ihr jagt der Schimäre eines körperlichen Gefühls hinterher, ohne zu erkennen, dass körperliche Gefühle, den seelischen Gefühlen folgen müssen. Abwehrend hielt er die Hände hoch, um meinen Einwand zu unterdrücken. Nicht dass ich die alten Zeiten wieder haben wollte, in denen man unberührt in die Ehe ging. Das war genauso falsch, wie der heutige Sex um jeden Preis. Wann werdet ihr jungen Leute endlich einmal begreifen, dass Liebe nicht gleich Sex ist. Du musst nicht unbedingt verliebt sein, um Sex zu haben. Aber Zuneigung wäre schon wichtig. Zuneigung und Vertrauen. Sex folgt der Zuneigung. Und nur so kann er zur Erfüllung für beide werden. Aber dazu brauchst du Vertrauen. Bedingungsloses Vertrauen. Kannst du dich fallen lassen und dem Jungen überlassen, für dich da zu sein. Kannst du es zulassen, dass der Junge sich fallen lässt und du nur für ihn da bist. Könnt ihr, kannst du eigentlich noch genießen?
Was sollte ich dazu sagen. Diese Worte gingen mir mehr unter die Haut, als ich zugeben wollte. Aber hatte er nicht recht? Wie war es denn mit Markus und all den anderen gewesen? Ein bisschen fummeln, meist auf Initiative des Jungen hin, dann schnell ins Bett und sofort drauf. Kommen, war das Motto der Stunde. Kommen um jeden Preis. Nicht der Weg war das Ziel, sondern das Ziel, der Orgasmus stand im Vordergrund. Wolfgang hatte recht. Ich hatte es noch nie erlebt, dass wir uns Zeit genommen hätten, bei unseren Liebesspielen. Zeit, um das Vergnügen auszukosten. Trotzdem konnte ich das nicht unwidersprochen hinnehmen. Du glaubst also, dass wir nur das schnelle Vergnügen suchen? Du meinst, wir würden Sex nur um des Sex Willen haben, ohne Gefühle, ohne alles? Wolfgang nickte. Ihr habt Sex nur, um dabei zu sein. Ihr gebt euch nicht euren Gefühlen hin, ja ihr habt, außer den körperlichen Gefühlen, wahrscheinlich gar keine. Ihr seid übersättigt, weil ihr Sex an jeder Straßenecke und in jeder Situation haben könnt. Einen Moment war er still. Dann fuhr er leise und langsam fort. Ich wünsche dir, dass du wenigstens einmal erlebst, wie es ist, wenn Sex keine Ware ist, sondern der Ausdruck eines Gefühls, das jemand für dich empfindet, oder das du für jemanden empfindest. Verstehe mich richtig. Ich rede nicht von Liebe, ich rede von Gefühlen, von Vertrauen. Liebe kann sich aus so etwas entwickeln, muss es aber nicht.
Wolfgang hatte eine Saite in mir zum klingen gebracht, die nicht mehr verstummen wollte. Beide hingen wir unseren Gedanken nach. Die Sehnsucht nach dem von Wolfgang beschriebenen wuchs in mir. Aber genauso war da die Gewissheit, dass ich es nicht erleben würde. Zumindest nicht so schnell. Wo sollte ich einen Mann finden, der das genauso sah, der über die entsprechende Erfahrung verfügte und willens war, das mit mir zu erleben? Ich kannte keinen. Leichter als mir zumute war, warf ich ein. Noch ein weiteres Attribut für meinen Traumprinzen. Langsam werden die Vorbedingungen zu umfangreich. Dann streich doch ein paar andere. Warum muss es denn unbedingt der Muskelprotz mit schmalen Hüften, dickem Geldbeutel und Ferrari sein? Darüber dachte ich nach! Lange. Wie ist das mit dir? Hast du deine Traumprinzessin schon gefunden? Vielleicht! Warum nur vielleicht? Weil ich mir Zeit lasse, sie zu beobachten. Weil ich wissen will, ob sie es wert ist. Weil ich wissen will, ob sie die richtige ist. Weiß sie, dass du sie prüfst? Wohl kaum! Ist sie hübsch? Hübsch und jung? Zweimal ja, auch wenn das nicht die Auswahlkriterien sind. Meine Prioritäten liegen wo anders. Liebst du sie? Weiß ich nicht, aber ich weiß, dass ich Gefühle für sie habe? Und sie? Wolfgang zuckte mit den Schultern. Trinken wir noch was? Einen Kaffee, bitte. Wolfgang bestellte und ich verschwand auf die Toilette.
Beim Händewaschen, besah ich mich im Spiegel. Mein Gesicht war zu ernst, vielleicht eine Folge des Gesprächs. Ich besserte mein Makeup aus. Plötzlich wurde meine Hand, die den Lippenstift führte, langsamer. Wolfgang? Könnte Wolfgang dieser Mann sein, den ich brauchte? Und umgekehrt, war ich vielleicht die Tramprinzessin für ihn? Ausgeschlossen! Und doch, die Zweifel blieben. Nicht mehr ganz so unbefangen setzte ich mich an den Tisch.
Ich brauchte eine Weile, bis ich mich aufraffte. Darf ich dich was fragen? Wolfgang nickte. Ich nahm allen Mut zusammen. Wie würdest du deine Traumprinzessin bitten, mit dir ins Bett zu gehen? Jetzt war es heraus. Wolfgang schwieg! Lange. Ich würde ihr sagen, dass ich von ihr fasziniert bin, dass ich mich zu ihr hingezogen fühle, und dass ich es gerne hätte, wenn sie sich bei mir fallen lassen könnte. Und dann würde ich sie direkt fragen, ob sie eine Nacht mir verbringen würde. Ich nickte. Ja! Sagte ich nur. Und als er mich zweifelnd ansah, Wenn du mich das fragen würdest, würde ich ja sagen! Immer noch sah er mich nur an. Wirklich? Wieder nickte ich ein ja. Wolfgang ergriff meine Hände. Möchtest du, dass wir uns hier ein Zimmer nehmen und möchtest du, dass es schön für uns wird? Ich nickte erneut. Sehr gerne!