Fabian hetzte den Weg entlang. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er nur noch wenige Minuten Zeit hatte, um rechtzeitig zum Meeting zu erscheinen. Er hatte, völlig in seine Arbeit vertieft, den Termin total vergessen und erst der erstaunte Hinweis seiner Sekretärin, hatte ihn daran erinnert. Fabian öffnete die Tür zum Verwaltungsgebäude mit seiner Karte, eilte durch das menschenleere Foyer zu den Aufzügen und ließ sich in den 12. Stock transportieren. Dort, im kleinen Konferenzsaal, sollte die Sitzung des Lenkungsausschuss stattfinden. Sozusagen mit dem Glockenschlag betrat er den Konferenzsaal, nickte grüßend in die Runde und begab sich zu seinem angestammten Platz. Magdalena Schreiber, die neben ihm saß, begrüßte er mit Handschlag. Gerade als er sich einen Kaffee eingoss, setzten sich die restlichen Teilnehmer des Meetings und Tobias Kern, der Vorsitzende, begann mit seiner Begrüßung. Tausendmal gehörte Floskeln drangen an Fabians Ohr, ohne in sein Bewusstsein einzudringen. Er besah sich die Teilnehmer. Fast alle waren ihm bekannt. Nur die Beiden, eine Frau und ein Mann, die ganz am gegenüberliegenden Rand des Rundes saßen, waren ihm unbekannt. Als er noch überlegte, wer die zwei sein könnten, wurden sie auch schon von Tobias Kern vorgestellt. Herr Neuberth und Frau Vogel von der Management Consult AG in Bern. Fabian erinnerte sich. Das waren die Headhunter, die ein Auswahlverfahren für den neuen Vorstand erarbeiten sollten.
Neuberth ergriff auch gleich das Wort und führte durch eine mit Grafiken gespickte Präsentation. Fabian lehnte sich zurück. Sein Interesse für das Thema war eher bescheiden angelegt. Er würde dieser Findungskommission nicht angehören. Das lag so ganz außerhalb seines Aufgabengebietes. Während er hin und wieder auf die Präsentation sah, beschäftigte er sich mit den Kollegen im Rund. Möhlmann und Schulze hatten Ambitionen, die über ihren derzeitigen Status hinaus gingen. Hofmann war kurz vor der Pensionierung und um die Stelle von Körner ging es eben. Körner wechselte in den Vorstand einer größeren Gesellschaft . Ihm, Fabian, war egal, wer Körners Nachfolger werden würde. Mit ihm oder ihr würde er nicht viel zu tun haben. Fabians Blick streifte Frau Vogel. Obwohl groß und kräftig gebaut, wirkte sie doch eher wie ein kleines Mädchen, was sicher auch daran lag, dass sie ihre schulterlangen, blonden Locken immer wieder schüttelte und mit einzelnen Strähnen spielte. Ihr Part in dieser Angelegenheit war ihm noch nicht ganz klar. Sie saß da und hörte Neuberth zu. Hin und wieder nickte sie. Fabian verlor das Interesse an ihr und beschloss, sich jetzt doch auf Neuberths Vortrag einzulassen. Der schien aber zum Ende zu kommen und legte Frau Vogel mit einer lässigen, fast schon arroganten Bewegung die Fernbedienung für das Notebook hin.
Die stand auch sofort auf und übernahm ohne Unterbrechung den Vortrag. Frau Vogel stellte sich noch einmal vor. Mein Name ist Ina Vogel. Ich bin die Psychologin bei Management Consult. Meine Aufgabe ist es die Softskills für ihre neue Führungskraft zu definieren. Im Gegensatz zu Neuberth blieb Frau Vogel nicht an ihrem Platz stehen, sondern bewegte sich vor dem Auditorium hin und her. Auch von ihrem Vortrag verstand Fabian nicht allzu viel. Schnell schaltete er ab und betrachtete nur noch Frau Vogel. Eine klassische Schönheit war sie nicht gerade. Aber sie hatte eine gute Figur und Fabian ertappte sich dabei sich vorzustellen, wie sie, nur mit einem knappen Bikini oder aufreizenden Dessous bekleidet, in der Mitte des Konferenzraumes auf und ab ging. Er fand Gefallen an dieser Vorstellung. Ihre Pobacken wirkten kräftig durch ihre schwarze, eng geschnittene Hose. Ein Blick in die oberen Regionen überzeugte ihn davon, dass auch dort ein interessantes Tätigkeitsgebiet vorzufinden sei. Seine Gedanken überraschten ihn. Sicher, es war Monate her, dass er eine Frau in den Armen gehalten hatte, aber er hatte geglaubt, über diese Sehnsüchte hinweg zu sein. Conny, seine Exflamme hatte ihn davon geheilt. Hatte er geglaubt. Magdalena stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. Er schreckte auf und sah sie mit großen Augen an. Starr sie doch nicht so an! Zischte sie ihm zu. Du ziehst sie ja förmlich mit deinen Augen aus! Magdalena schüttelte missbilligend mit dem Kopf. Fabian zuckte mit den Schultern und beobachtete Frau Vogel weiter, allerdings etwas zurückhaltender.
Auch Frau Vogels Vortrag ging zu Ende und nach einer kurzen Fragerunde verschwanden die Beiden aus dem Konferenzsaal. Die anschließende Diskussion des Lenkungsausschuss war weniger interessant und endete schließlich mit dem Beschluss, das vorgeschlagene Procedere zu genehmigen und zu beauftragen. Wenig später saß Fabian wieder an seinem Arbeitsplatz und nahm die unterbrochene Tätigkeit wieder auf. Erst war er unkonzentriert, dann aber vertiefte er sich wieder in seine Aufgaben und vergaß den Vormittag. Er hatte eigentlich nichts damit zu tun.
Der Tag verging mit einigen Gesprächen und den immer wieder dadurch unterbrochenen Arbeiten an seiner Präsentation. Gegen 18 Uhr verließ er sein Büro. Der Tag war anstrengend gewesen und er freute sich auf den entspannten Abend in seiner Wohnung. Vielleicht würde er das Fußballspiel anschauen, vielleicht aber auch nicht. Zu Hause angekommen richtete er sich eine Kleinigkeit zu essen und nahm den Teller mit in sein Wohnzimmer. Auf fast allen Kanälen gab es Berichterstattungen zur EM und wo nicht, gab es Boulevardmagazine oder Soaps zu bewundern. Also blieb er schließlich doch beim Fußball hängen. Das Spiel entsprach nicht seinen Erwartungen. Genauer gesagt war es todlangweilig. Da er nichts Gescheites mit sich anzufangen wusste, beschloss er noch auf ein Bier aus zu gehen. Aber er hatte die Rechnung ohne die Wirte gemacht. In jeder Kneipe lief der Fernseher. Fabian ging weiter und kam schließlich zu einem kleinen Hotel, von dem er wusste, dass es eine kleine, aber feine Bar hatte. Dort war sicher fußballfreie Zone. Richtig! In der Bar war kaum was los. Ein Pianist klimperte sich durch die leichte Muse und schuf so eine Atmosphäre, in der man herrlich absacken konnte. Fabian bestellte sich einen Daiquiri und setzte sich an einen der freien Tische. Dort in seiner Ecke, sah der dem Pianisten zu und ließ sich, unterstütz von seinem Cocktail, in die Vergangenheit versetzen. Er dachte an Conny, mit der es in einer ähnlichen Bar begonnen hatte. Conny, die ihn verführt hatte. Conny, die am Anfang unersättlich gewesen war und die zum Ende hin kaum noch Zeit für ihn gehabt hatte. Conny! Hatte er sie geliebt? Er wusste es nicht. Geliebt aber hatte er, was sie sich gewesen waren. Seine Gedanken wanderten weiter und betrachteten sein Leben in der Rückschau. Doch, er war mit seinem Leben zufrieden. Er hatte Karriere gemacht. Das einzige was ihm abging, war eine lebendige Beziehung. Er sehnte sich danach. Aber wenn er ehrlich war, hätte er auch eine kurze, von Sex dominierte Affäre akzeptiert. Nur leider war weder das Eine noch das Andere in Aussicht.
Menschen kamen und gingen. Setzen sich an den Tresen oder an die anderen Tische, bestellten und tranken. Manche kamen zu zweit oder zu mehreren. Es gab Gespräche, Lachen und hin und wieder auch einmal ein etwas lauteres Wort. Fabian saß alleine da, in Gedanken versunken. Als er wieder einmal aufsah, sah er eine Frau zur Tür herein kommen. Er wusste, dass er sie kannte, konnte sie aber nicht unterbringen. Sie setzte sich in die gegenüberliegende Ecke an einen freien Tisch, bestellte etwas und beschäftigte sich während der Wartezeit mit den Erdnüsschen. Dann erkannte er sie an einer Geste. Sie wickelte sich eine Strähne ihres blondes Haares um die Finger. Als sich ihre Blicke kreuzten, nickte er ihr zu, sie aber ignorierte ihn und sah weg. Dann halt nicht, blöde Zicke! dachte Fabian und lauschte weiter dem Pianisten. Eine halbe Stunde und einen Daiquiri später, kam sie auf dem Rückweg von der Toilette an seinem Tisch vorbei und blieb kurz stehen. Entschuldigen Sie bitte, in dem diffusen Licht habe ich sie nicht gleich erkannt. Fabian nickte und bot ihr einen Platz an. Der aufmerksame Kellner brachte ihr das Glas von ihrem Tisch. Ein kurzer Moment des Schweigens trat ein. Beide musterten sich unauffällig aus den Augenwinkeln. Frau Vogel trug ein grünes Top, das hervorragend zu ihren blonden Haaren passte und ihre Brüste schön modellierte. Den weiten, nicht ganz knielangen, weißen Rock hatte Fabian vorhin schon bewundert. Er brachte ihre schönen Beine wunderbar zur Geltung. Noch einmal prostete sie sich zu. Frau Vogel trank Gin Tonic. Zögerlich begann ihr Gespräch. Natürlich bildete das Nächstliegende Thema ihres Gespräches. Anschaulich und äußerst kompetent schilderte Frau Vogel ihre Aufgabe. Ist Herr Neuberth auch noch hier? fragte Fabian etwas ungeschickt. Frau Vogel lächelte. Nein, der Chef ist schon wieder zurück. Ich werde hier vor Ort das Projekt Vorstandssuche bearbeiten. Morgen oder übermorgen kommen meine Mitarbeiter.
Weiter ging das Gespräch, das sich inzwischen um mehr Alltägliches drehte. Fabian erfuhr, dass Frau Vogel ursprünglich als Psychologin in einer Klinik gearbeitet hatte, dieses Leben aber dann gegen das weit aus interessantere in einer Headhunteragentur getauscht hatte. Aus Andeutungen schloss er, dass sie nicht liiert war. Wieder kam es zu einem kurzen Moment der Stille, als beide unwillkürlich der Musik des Pianisten lauschten. Ich mag dieses Bargelimpere. Man kann dabei so schön abschalten, meinte sie in einem ganz anderen Ton. Irgendwie klang daraus eine Sehnsucht. Auch Fabian ließ sich von den Tönen entführen. Plötzlich härte er wieder ihre leise Stimme. Ich heiße Ina! sagte sie in den Raum. Auch Fabian nannte seinen Namen. Ihre Unterhaltung wurde lebhafter und persönlicher. Dann, etwa eine Stunde später, sah Ina auf die Uhr. Ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Morgen habe ich ziemlich früh einen Termin. Da möchte ich ausgeschlafen sein. Fabian nickte.