Loses Gestein bröckelt unter meinen Füßen weg. Immer wieder rutsche ich leicht auf dem nassen Felsboden aus, kann mein Gleichgewicht aber halten. Doch unbedingt will ich das nichtmal. Ich bin umgeben von einem Wulst aus dunklem Nebel, alles was ich wahrnehme ist das Klackern der Steine, die den Abhang vor meinen Füßen hinabfallen. Und natürlich verspüre ich den Schmerz, tief verletzt worden zu sein. So sehr, dass auch ich in wenigen Minuten unten bei den Steinen liegen werde.
Was ist da unten? Ich weiß es nicht. Aber es ist ein langer Sturz bis dorthin. Und das muss er auch sein. Ein Sturz, so lang, so tief, wie es in den letzten Wochen und Monaten mit meinem Leben bergab ging. Viel zu viel, viel zu schlimmes ist vorgefallen, hat mich hierher gedrängt. Dieser Abgrund vor mit, er wird der letzte sein, in den ich je stürzen werde.
Keinen Gedanken möchte ich mehr an den Niedergang meines Lebens verschwenden. Längst habe ich alle Scheu abgelegt, ein Bein anzuheben und einen Schritt nach vorne zu machen. Ich wippe leicht vor und zurück, immer weiter.
Es ist mir unmöglich, den Boden der dunklen Schlucht zu sehen, doch das muss ich auch nicht. Schließlich setze ich jetzt zum finalen Sprung an......
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Die Sonne des Morgens hatte die wuchtige Tanne vor meinem Fenster hinter sich gelassen und traf meine Augen mit voller Wucht. Ein heller oranger Schein breitete sich unter meinen Liedern aus und begleitete mich in der Phase des Erwachens. Langsam wurde ich mir der gestrigen Ereignisse bewusst, und Freude verdrängte das übliche unangenehme Gefühl, dass ich sonst kurz nach dem Aufwachen habe.
Den Wunsch verspürend, endlich auch Julian wieder berühren zu dürfen, drehte ich mich mit geschlossenen Augen zu ihm um meinen Arm auf seine Brust legen zu können.
Doch da wo ich seinen Körper vermutetet hatte fiel mein Arm ungebremst auf eine Fläche voller Leere. Meine Bettdecke. Schon etwas verwundert, und auch etwas erschrocken wagte ich es, die Augen zu öffnen, was meine Vermutung bestätigte: Er lag nicht an meiner Seite. Ohne in große Panik zu verfallen gingen mir mögliche Erklärungen durch den Kopf, am wahrscheinlichsten schien mir, dass er das Bad aufgesucht hat. Respekt, und das ohne mich zu wecken, so unruhig wie ich schlafe.
Also schritt ich, nur mit meinem Adamskostüm am Körper, aus dem hell erleuchteten Zimmer, bog direkt die erste Tür links ab um wieder in einem leeren, nicht ganz so hellen Bad zu stehen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in der Magengegend aus. Er wird doch wohl kaum woanders im Haus rumirren. Oder doch?
Dieses ungute Gefühl hatte leider auch direkt Einfluss auf den Zustand meiner Morgenlatte, dich ich Spiegel schrumpfen sehen musste. Hatte ich mich doch schon auf ein wenig Action mit Julian gefreut.
Auch eine Suche im Rest des Hauses brachte zwar ein wenig dreckiges Geschirr, aber leider keinen, viel stärker gewünschten, Julian hervor.
„Nun, kein Grund zur Beunruhigung“, dachte ich mir, „Er wird mich ja wohl kaum nur für einen One-Night Stand haben wollen. Dafür war das alles zu intensiv.“
Doch schon auf dem Weg zurück in mein Zimmer kamen mir erste Zweifel.
„War das für ihn alles weniger als für mich? Wie ich meinen Mund um seinen warmen Schwanz hatte, und er ihn mir vollspritze. Unser Kuss, während er mir den geilsten Orgasmus meines Lebens verschaffte. Alles nur eine einmalige Sache?“
Grade in diesem Moment der schlechter werdenden Stimmung klingelte, wie immer übrigens zum richtigen Zeitpunkt, das Telefon. Doch mein erster Gedanke, nicht dran zu gehen, wich schnell der Hoffnung, Julian könnte am anderen Ende der Leitung sein. Also eilte ich zum Telefon
„Fuchs!“ rief ich fast euphorisch in den Hörer.
„Na aber hallo! Da hat wohl jemand gut geschlafen“ vernichtete die Stimme meines Bruders Andre alle Freude.
„Naja, geht so. Hab mich halt beeilt noch rechtzeitig dran zu kommen“
„Aha, na wenn das so ist“, etwas misstrauisch von Andre.
„Was willst du denn? Also wieso rufst du an?“, genervt von mir.
„Bester Laune scheinst ja wirklich nicht zu sein. Ach, wollte nur mal hören. Hast ja jetzt sturmfrei, wo Mama und Papa nicht da sind.“
„Joa, das ist wohl ganz angenehm. Aber jetzt auch nicht so besonders“
„Warum? Ist doch geil! Kannste mit deinem Damenbesuch mal richtig laut sein. Haste doch bestimmt schon ausgenutzt!?“
'Wenn der wüsste' grinste ich verschmitzt.
„Du weißt doch, ein Gentleman schweigt“
„Jaja, du und Gentleman, dass ich nicht lache! Aber hier kurz meine Antwort auf die Fragen, die du mir sowieso nicht gestellt hättest: Studium läuft soweit, hab die Klausuren jetzt durch und kann mit Party weitermachen. Insgesamt coole Leute hier. Besuchen werde ich euch wohl erst nächsten Monat wieder“
„Werds Mama ausrichten, die beschwert sich ohnehin andauernd über deine ausbleibenden Anrufe“
„Sag ihr, ich melde mich mal. Hau rein!“
„Ok, bis dann.“
Ich mag meinen Bruder, und doch war ich froh, als er endlich aufgelegt hatte. Viel zu stark, und sie wurde immer stärker, war die Sehnsucht nach Julian.
Ich entschied mich, ihm zumindest eine wenig aufdringliche Nachricht auf Facebook zu senden. Also ran an den PC. Das Programm zeigte mir keine neuen Nachrichten, also schonmal nichts abzuarbeiten.
So schnell wie ich auf das „Nachricht senden“ Symbol in Julians Profil klickte, so lange dauerte es, bis ich den richtigen Text gefunden hatte. Schließlich konnte ich mich zu einem knappen: „Hi Julian, bist ja schnell verschwunden ;) Meld dich mal, wenn du Zeit hast.“
Auf das Drücken der Sende-Funktion folgte dann der Hammer: „Der Kontakt hat dich blockiert, du kannst ihm keine Nachrichten mehr senden.
'Das muss doch ein Fehler sein' hoffte ich im Anflug der Verzweiflung.
Ein weiteres Mal versuchte ich die Message zu senden, doch wieder das selbe.
Nach dem fünften Mal brach ich meine Versuche ab und stürzte gefühlt in ein tiefes Loch.
#POV Julian#
Scheiße, das kann er doch nicht wirklich vorhaben! So schnell es mir möglich ist haste ich über nasse Felsen, folge einem schmalen Grad, links und rechts von tiefe Schluchten. Nebliges, ja richtig englisches Wetter gewährt mir nur schlechte Sicht auf meinen nächsten Tritt. Ich weiß es, ich riskiere hier meine Gesundheit, und, seien wir ehrlich, wenn ich falle, mein Leben. Diesen Sturz könnte man nicht überlegen. Doch ich muss es tun. Nie könnte ich mir verzeihen, wenn David wirklich springt.
Immerhin bin ich an allem Schuld. Doch wie hätte ich das alles verhindern können? Nach allem was passiert ist, hatte ich keine andere Wahl. In keiner Sekunde habe ich mich bei dem was ich getan habe wohl gefühlt. Doch die feste Mauer in meinem Kopf konnte ich nicht einreißen.
Mein Fuß verliert den Halt auf dem rutschigen Untergrund, ich stürze vornüber und stoße mir das Knie böse auf. Doch zur Selbstbemitleidung habe ich keine Zeit. Ich muss weiter!
Warum habe ich mich bloß auf diesen Abend damals eingelassen?
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Als ich an jenem Morgen recht früh aufwachte, ruhte mein steifer Penis zwischen Davids Arschbacken. Fest und sanft zugleich umschlossen sie meine Latte, leichte auf und ab Bewegungen ließen meine feucht werdende Eichel zwischen ihnen her gleiten, natürlich ohne in Davids Loch einzudringen. Dennoch spürte ich schon das verdächtige Kribbeln, dass einen nahenden Orgasmus ankündigte. Doch noch bevor ich in dessen Genuss kommen konnte durchfuhr ein blitzartiger Schreck meinen Körper. „Was mach ich hier? Was habe ich hier gemacht? Gerade ich sollte doch wissen, wozu das alles führen kann.“
Geschockt fuhr ich hoch, meine Latte war schon keine mehr, nur die Eichel war noch feucht. Vorsichtig kletterte ich über David, unbedingt versuchend, diesen nicht zu wecken. Ein solches Gespräch wollte ich nicht führen. Ich hätte es auch nicht können, hätte ihm nicht erklären können, warum ich weg muss. Und vor allem: Warum ich ihn nicht mehr treffen darf.
Hastig zog ich mich an, das Shirt auf links. Egal! Nur eine Socke gefunden, was solls! Schon wollte ich das Zimmer verlasse, doch ganz ohne Nachricht gefiel mal das dann doch nicht. Auf seinem Schreibtisch fand ich schnell Zettel und Stift, doch was ich nicht fand, waren Ideen. Was sollte ich schreiben? Die Wahrheit? Nein, das ging nicht! Ein einfaches 'War schön mit dir'? Nein, das hätte es wie eine schnelle Nummer aussehen lassen, das das war es nicht.
Ich vernahm ein grummeln aus Richtung des Bettes und entschied mich, besser zu verduften.
Nach kurzem Weg durchs Haus verließ ich dieses wieder. Der Hund war übrigens noch nicht wieder da.
An der frischen Luft, ein sonniger Tag kündigte sich an, wich langsam die Hektik anderen Gefühlen. Ärger, Verzweiflung, Trauer. Ich spürte die Liebe zu David, doch zwischen mir und dieser Liebe befand sich ein unüberwindbarer Graben.
Tränen füllten meine verschlafenen Augen. Ohne Ziel trat ich in die Pedalen meines quietschenden Fahrrads. So gelangte ich in einen Wald, fuhr über einen holprigen Weg. Irgendwann schmiss ich mein Fahrrad in einen Graben und kauerte mich hinter einer alten Buche zusammen. Nur beobachtet von einer übergewichtigen Taube.
#POV David#
Nur sehr träge schaffte ich es dieses Loch wieder zu verlassen. Doch so einfach wollte nicht aufgeben. Ich musste ihn einfach kontaktieren, zumindest, um zu erfahren, warum er so handelt. Als einfachster Kommunikationskanal schied facebook nun allerdings aus, also musste ich auf eine andere, äußerst antiquierte Form der Kontaktaufnahme zurückgreifen: Persönlich zu ihm zu fahren.
Also entstaubte ich unser Telefonbuch wieder und suchte nach dem Namen 'Jäger',
doch da finden die Probleme schon an. Es gab zwei mal Familie Jäger. Also tippte ich beide Adressen in mein Handy und machte mich auf den Weg. Ziel Nummero eins: Alfons Jäger. Einfach weil er nicht so weit weg wohnte.
Den Weg zu finden war nicht weiter schwer, nur die unausstehliche Hitze machte mir etwas zu schaffen. Auch wenn sie mich in meinem Vorhaben nicht wirklich bremsen konnte.
Nach kurzer Zeit erreichte ich das Haus, besser noch: Die Villa. Ein mächtiger Metallzaun umgab das Anwesen, Hecken und Bäume sprossen dahinter und ließen nur einen begrenzten Blick auf das schneeweiße Gebäude.
Voller Ehrfurcht und mit wild pochendem Herzen betätigte ich den schweren Klingelknopf. Zwei Minuten musste ich warten, bis sich eine raue, unfreundlich Stimme meldete:
„Ja, was ist?“ erklang es blechern.
„Hallo, ich bin David Fuchs. Ist Julian vielleicht im Haus?“
„Julian der Bengel? Warum sollte der hier sein, der hat hier nichts verloren! Was willst du überhaupt von dem?“
„Ich bin ein Schulfreund von ihm.“
„Ob du mit dem befreundet sein willst, solltest du dir mal ganz genau überlegen.“ Kam fast drohend aus den Sprechschlitzen.
„Wie meinen sie das?“
„Das geht dich einen Scheiß an! Ich sag nur: Wie der Vater, so der Sohn! Und jetzt verpiss dich, sonst lasse ich die Hunde los.“
Damit war das Gespräch beendet und ich war voller Zweifel. Was könnte der Mann damit gemeint haben? Und wer war er? Der Vater ja schonmal nicht.
Ratlos entfernte ich mich von dem Anwesen. Auf meinem Zettel stand eine weitere Adresse mit dem Namen Jäger. Anneliese Jäger.
Das Gebäude befand sich auf der anderen Seite der Stadt. Tapfer trat ich in die Pedalen, mein Ziel vor Augen.
Zu sagen, der Stadtteil, in den ich jetzt gelangte, sei schön, wäre schlichtweg falsch, es reihte sich ein 70er Jahre Bau grau an grau an den nächsten. „Der freundliche Alfons wohnt da besser“, dachte ich mir.
Schließlich erreichte ich mein Ziel, die Kastanienallee 71a. Klingt romantisch, doch der Name schmeichelte der Gegend ein wenig zu stark.
Den schlecht gepflegten Vorgarten durchquerend ging ich zur Haustür, wo ich von einem Meer aus Klingelschildern begrüßt wurde.
Ich betätigte das leicht vergilbte mit der Aufschrift 'A. Jäger' und musste kurz warten, bis eine rauchige, aber nicht unfreundliche Frauenstimme ertönte.
„Ja, bitte. Wer ist da?“ vernahm ich aus dem Sprecher.
„Hallo, ich bin David Fuchs, ein Schulkollege von Julian. Ist der womöglich zu Hause?“
„Ja, der ist da, aber dem geht’s nicht sehr gut. Der Junge ist mir ein Rätsel. Hat einfach die Zimmertür zugeknallt, als er wieder kam“
„Das hört sich nicht so gut an. Kann ich vielleicht mal zu ihm? Kann ja was mit der Schule sein.“ erfand ich einen hoffentlich plausiblen Vorwand.
„Versuch ruhig dein Glück. Ich denke nicht, dass er öffnen wird. Dritter Stock.“
Und schon hörte ich den Summer und öffnete die Tür.
Mir schlug ein modriger Geruch ins Gesicht, aber immerhin war die Luft einigermaßen kalt. Der Aufstieg über die Treppe stellte also kein größeres Problem dar. Im dritten Stock war bereits eine Tür geöffnet, aus der etwas Zigarettenqualm herausströmte. Höflich klopfte ich noch gegen den Türrahmen, als mich eine in Wirklichkeit noch rauchigere Stimme in die kleine aber aufgeräumte Wohnung bat.
„Die Tür zu deiner rechten.“ rief Julians Mutter aus der Küche.
Also klopfte ich an Tür. Nach dem ersten Klopfen zeigte sich keine Reaktion. Nach dem zweiten hörte ich Julians Stimme, doch war sie mit der von gestern nicht zu vergleichen.
„Hau ab Mama, ich will meine Ruhe“, schrie er schroff.
„Ich bins, David. Mach bitte mal auf.“
„Bist du verrückt hier aufzukreuzen?! Sofort raus hier.“ er wurde immer lauter.
„Julian bitte. Lass mich rein, nur kurz. Oder willst, dass wir uns durch die geschlossene Tür über das unterhalten, was passiert ist?“
„Wage es ja nicht“ drohend von Julian, doch er öffnete die Tür.
„Komm rein, du hast eine Minute, und rede leise“ wies er strikt an. Also erwiederte ich im Flüsterton:“Was ist los mit dir, Julian? Hat es dir nicht gefallen? Warum haust du einfach ab?“
„Ob es mir gestern gefallen hat, oder nicht spielt keine Rolle. Fakt ist, dass es einmal nicht hätte passieren dürfen, und auch nicht wieder passieren wird. Find dich damit ab! Ich hätte es auch lieber anders.“
„Aber Julian, bitte, lass uns doch.....“
„Nein, es geht nicht. Geh jetzt bitte. Und komm nicht wieder. Und sprich bitte auch in der Schule nicht mit mir.“ brach er mir das Herz, während er mich langsam in den mittlerweile wie die Pest stinkenden Flur schob. Die Wohnungstür knallte hinter mir ins Schloss während ich langsam die Treppe runter stolperte.
Mir wurde schwindelig und übel. Ich musste mich am Gelände festhalten, um ein Stürzen zu verhindern. Doch die Übelkeit übermannte mich und ließ meinen Magen den wenigen Inhalt loswerden. Dass es dabei ausgerechnet einen leeren Kinderwagen treffen musste, war mir zwar in dem Moment egal, aber dann doch etwas peinlich. Also verließ ich das Gebäude ziemlich schnell und machte mich auf dem Weg heim.
Den Rest der Ferien verbrachte ich mit Trübsal blasen, ohne auf die Idee zu kommen, Julian zu kontaktieren. Natürlich bemerkten auch meine Eltern mein Unwohlsein, allerdings schaffte ich es immer so grade, sie ruhig zu stellen. Und das klingt jetzt krimineller, als es wirklich war.
In meinem Kopf brannte sich jedoch noch ein Tag fest, der mich ungeheuer aufgeregt machte: Der nahende erste Schultag. Oder auch: Der Beginn, der endgültigen Eskalation.
Spätsommer, Athen, David
Schwitzend laufe ich durch die schwül-warmen Gassen von Athen. Die Hitze liegt wie eine Walze über der Abendämmerung und zwingt mich, meinen Lauf immer weiter zu verlangsamen. Es fällt mir schwer zu sagen, wie weit ich gerannt bin, mein Zeitgefühl ist im Eimer. Die Bewegung, die Hitze und der Alkohol haben meine Knochen so sehr geschwächt, dass ich inne halten muss.
Wieder kommt mir der Grund meiner Flucht in den Sinn und ich will weiter laufen, doch meine Beine tragen mich nicht mehr. Ich bin gezwungen, die niederschmetternden Gedanken zuzulassen. Julian in der Seitenstraße zu sehen, mit…
Ach, ich kann es nicht beschreiben. Nach allem was passiert ist eine so billige Nummer.
Grade hatte sich der Schmerz etwas gelegt, die letzten Wochen waren echt erträglich. Und jetzt reißt er alle alten Wunden wieder hemmungslos auf.
Schwindel erfüllt meinen Kopf und ich muss mich an der warmen Wand stützen. Mit den Händen halte ich mich an meinen eigenen Knien fest, während ein Weinkrampf mich heimsucht.
Passanten gehen an mir vorbei, gucken, aber helfen nicht. Doch das ist mir egal. Mir ist jetzt alles egal. Anderen bin ich schließlich auch egal.
Es ist dunkel geworden, als ich mich wieder zum langsamen Gang fähig fühle. Weiter irre ziellos durch eine mir unbekannte Stadt. Die Gegend wird immer dreckiger, die Beleuchtung immer spärlicher. In den schmalen Gassen sehe ich überall Frauen, leicht bekleidete Frauen. Manche sind nicht allein, sondern in Begleitung von Männern, oder auch beschäftigt mit Männern.
Ich muss das Rotlichtmillieu von Athen gefunden haben!
Verschämt schleiche durch die schlecht riechende Straße, biege schließlich in eine etwas besser ausgeleuchtete Gasse ab und wiege mich zunächst in Sicherheit.
Wieder holt mich das eben gesehen ein, wie Julian da mit einem anderen…
Plötzlich spüre ich eine starke Hand auf meiner Schulter, erschrocken fahre ich um schaue in die Augen eines bärtigen, muskulösen Griechen. Auch wenn ich nicht verstehe was er sagt, so sind seine Gesten eindeutig. Er bietet mir Sex für Geld.
Hochsommer, Schulbeginn, Julian.
Als am Tag des Schulbeginns morgens mein Wecker klingelte, wurde mir schon recht mulmig zu Mute. Drei Wochen war es her, dass ich David zuletzt gesehen hatte. Er hat glückerlicherweise keinen Kontakt mehr zu mir aufgenommen. Das hätte ich auch nicht verkraftet. Zu stark waren die Gefühle für ihn noch. Immer wieder verfolgten mich die wunderbaren Erinnerungen an unsere einzige Nacht zusammen. Unsagbar, wie unglücklich ich über die Einmaligkeit dieser Nacht war, doch noch viel schlimmer, dass ich allein Schuld an Davids Trauer war.
Wenn auch nur wenig Sonnenlicht in mein Zimmer eindrang, so war es dennoch genug mir zu zeigen, dass der Wecker nicht log und ich aufstehen musste.
Gemächlich erhob ich mich aus dem Bett und bugsierte meine dezente Morgenlatte ins Bad. Da ich nur in Boxershort gepennt hatte, konnte ich direkt einen Blick auf meinen sportlichen Körper werfen, den ich in den letzten Wochen durch Frustsport gut gepflegt hatte.
Auch mein Zelt in der Boxer verschaffte mir ein Lächeln auf den Lippen. Glücklicherweise blieb mir noch ein wenig Zeit, so schritt ich nackt in die Dusche und ließ warmes Wasser an meinem Körper runter perlen. Stolz griff ich meinen knallharten Ständer und zog langsam die Vorhaut vor und zurück, legte damit meine pralle Eichel frei. In meinem Kopf tauchten wieder die geilen Bilder vom David auf, wie er unter Dusche stand. Damals im Freibad.
Genüsslich legte ich meine Kopf in den Nacken, schloss die Augen und dachte an die herrliche Nacht mit David. Meine Hände schrubbten dabei meine steife Männlichkeit. Das Bild in meinem Kopf, wie David meinen Schwanz in jener Nacht mit seinem warmen Mund verwöhnt hat ließ mich beängstigend schnell zum Orgasmus kommen. Mit ordentlichem Druck feuerte ich den weißen Saft gegen die undurchsichtige Duschwand.
Die langsam abebbenden Wellen des Höhepunkts erinnerten mich wieder an die Tatsache, dass ich David schon bald in der Schule wiedersehen werde. Hoffend, dass er mich nicht anspricht.
Hochsommer. Schulbeginn. David
Mit aller Kraft trat ich in die Pedale meines ächzenden Fahrrads. Die schon starke Morgensonne brannte mir auf den Schädel und verstärkte mein Unwohlsein. Nach Wochen der Verdrängung, die mittlerweile auch einigermaßen fortgeschritten ist, drohte mir nun ein erneutes Abrutschen in die Trauer. Was würde passieren, wenn ich Julian wiedersehe?
Dieser Gedanke beschäftigte mich den gesamten Morgen, und die Sorge wuchs mit jedem Meter, den ich mich der Schule näherte.
Wie üblich waren die meisten Stellplätze für Fahrräder schon belegt, als ich dort aufschlug. Ich gehöre da meist nicht zu den Ersten. Doch da ich die Situation schon kannte, zog ich einfach ein fremdes Bike aus der Reihe und ersetzte es durch meins.
Schnell schloss ich ab und eilte auch schon zur obligatorischen Begrüßung der zukünftigen Ehemaligen, die ihr letztes Jahr an der Schule bestritten. Wozu auch Julian und ich gehörten.
Im letzten Moment huschte ich durch die sich schließende Tür und musste ernüchtert feststellen, dass nur noch Plätze in der ersten Reihe frei waren. Alternativlos schritt ich an den Reihen vorbei, die ich vorsichtig mit meinen Blicken ab scannte. Doch Julian konnte ich in dem Tempo nicht entdecken. Also nahm ich allein vorne Platz, als der Direx auch schon seinen Monolog begann.
Auch wenn ich nicht zuhörte, so gibt es gewisse Schlagworte, die man immer hört.
„Ach, der Julian beehrt uns auch noch. Schön, dass die den Weg nach langer Zeit noch gefunden haben. Nehmen Sie doch bitte hier in der ersten Reihe Platz. David hätte doch gern etwas Gesellschaft.“
In diesem Moment müssen meine Augen die Größe von Wagenrädern angenommen haben, mein Herz schaltet in den Racingmodus. Meine Sorge war ihn zu sehen, jetzt sollte er sich neben mich setzten!
Trotz aller Wut und aller Verzweiflung war Julian von einer unfassbaren Aura an Attraktivität umgeben, als er auf mich zukam. Ich spürte fast, wie das Belohnungszentrum meines Gehirns bei diesem Anblick Glückshormone ausschüttete. Und wie diese den Kampf gegen sämtliche negative Emotionen verloren. Meine Laune war im Keller. Zumindest knapp wollte ich ihn begrüßen.
„Morgen, wie geht’s?“
„Ganz okay.“
Und damit war unsere Konversation auch schon beendet. Den ganzen Rest der Veranstaltung war ich so unaufmerksam wie zuvor, bekam nur mit, wie man mir meinen Stundenplan in die Hand drückte.
Ein kurzer Blick darauf und der nächste, deutlich weitreichendere Schock des Tages machte sich bemerkbar: die beiden Deutsch Leistungskurse wurden zusammengelegt, also hatte ich jetzt Deutsch mit Julian! Aber immerhin nicht weg von meinen Freunden.
Apropos Freunde, wo waren die überhaupt?
Nach der Veranstaltung blickte ich mich kurz in der Aula um und sah auch schon Henry. Ohne zu zögern kann ich ihn als meinen besten Freund bezeichnen.
Er freute sich, mich zu sehen und deutet an, dass er draußen warten würde.
Kaum zur Tür raus sah er mich auch schon.
„Hey David, altes Haus. Lange nix von dir gehört, alles fit bei dir?“
„Moin! Ja, sorry, die letzten Wochen hab ich mich schon etwas auf die Schule vorbereitet.“
„Ach, du laberst doch. Als ob du mal freiwillig lernst.“ Lachte Henry.
„Doch, wirklich. Jetzt geht’s doch um die Wurst.“ Baute ich meine Lüge weiter aus.
„Alter Streber. Aber sonst ist alles gut? Du wirkst so blass?!“
„Naja, ungesunde Schulluft eben. Aber sonst ist alles gut. Wie geht’s dir denn?“
„Nach der langen Pause bin ich ehrlich gesagt froh über etwas Beschäftigung. Und wir müssen unbedingt auch mal wieder was unternehmen.“
„Wie wärs erstmal mit Deutsch? Wir haben doch noch zusammen, oder?“
„Denke doch, habe jetzt auch Deutsch-LK“
„Na dann los“
Also gingen wir gemeinsam zur Deutsch-Stunde. In der auch Julian sein würde, aber das konnte ich Dank Henry kurz vergessen.
Er war im Übrigen auch noch nicht da, als wir uns in der letzten Reihe des schlecht belüfteten Raums niederließen.
Schließlich betrat Herr Götschilla wenige Minuten zu spät den Raum, ohne dass Julian sich blicken ließ.
Wieder fielen die üblichen Begrüßungsworte, die Namensliste wurde durchgegangen, wobei auch Julians Fehlen auffiel. Ein wenig Sorgen machte ich mir schon.
Doch pünktlich dazu öffnete ein erschöpft wirkender Julian die Tür.
„Ah, Julian, da sind sie ja. Sie kommen pünktlich zur wichtigsten Ankündigung heute: Unsere Kursfahrt in sechs Wochen geht nach Athen“