Ich denke, dass ein Seitensprung in einer funktionierenden und stabilen Beziehung nicht so einfach passiert, es sei denn, einer der Partner ist ganz unerträglich von sich und seiner eigenen Überlegenheit überzeugt - aber dann handelt es sich wohl auch gar nicht um eine funktionierende Partnerschaft.
Schlimm ist es, wenn in einer Partnerschaft einer der Partner immer mehr den Eindruck hat, zu kurz zu kommen, nicht beachtet zu werden, wenn er das Gefühl hat, diese Beziehung ist für ihn völlig defizitär geworden - und der andere Partner das noch nicht einmal bemerkt. Wahrscheinlich ist das das Enttäuschendste an einer Partnerschaft: Daß der eine gar nicht bemerkt, daß es dem anderen nicht (mehr) gut geht.
Aus solchen Situationen heraus kann sich ein Seitensprung viel leichter entwickeln, einfach deshalb, weil man als "vernachlässigter" Partner (das muß nicht nur sexuell sein, sondern kann jeden beliebigen Bereich betreffen) einfach viel leichter bereit ist, irgendwo anders Bestätigung und Erfüllung zu suchen. Endlich wieder als eigenständiger Mensch wahrgenommen werden, wieder begehrt werden. Aufmerksamkeit erfahren.
Man macht es sich wohl zu leicht, wenn man alle Seitensprünge über einen Kamm schert und in die Rubrik "böse, böse" verortet - mit der dann ach so einfachen und folgerichtigen Konsequenz, daß der böse Seitenspringer gehen muß. Folgerichtig ist daran m.E. nur, daß man ihn auch hier, wie schon so oft zuvor, wiederholt nicht ernst, ja: nicht einmal für voll genommen hat. Daß man wieder die eigene Wohlbefindlichkeit über den Partner gestellt hat.