Soll ich mitfahren und die Schüssel halten? Eine Stimme ließ mich erstarren. Bianca oder Carina? Ich drehte mich um. Bianca stand mit ausdruckslosem Gesicht vor mir. Wenn du möchtest, antwortete ich unverbindlich! Wortlos nahm sie mir die Schüssel aus der Hand und ging vor mir her zur Tür. Ich spürte förmlich das Grinsen Isabels in meinem Rücken.
In der Eisdiele mussten wir eine ganze Weile warten. Wie schon auf der Fahrt hierher, wechselten wir kein Wort. Erst als wir wieder zurück waren, meinte Bianca, trinken wir den Kaffee gemeinsam? Stumm nickte ich und hatte ganz vergessen, dass ich ja eigentlich gehen wollte.
Irgendwie gelang es Bianca, dass wir an einer relativ ruhigen Ecke des Tisches zusammen saßen und redeten. Sie sah, dass ich das Gesicht verzog, als ich den ersten Schluck Kaffee nahm. Nicht gut? Ich zuckte mit den Achseln. Bei Kaffee bin ich wählerisch! Nur bei Kaffee? Ich überging diese Replik und begann zu berichten. Von der kleinen Rösterei, dem Einmannbetrieb, der besondere Bohnen zu besonderem Kaffee röstete, kleine Mengen nur,
aber immer wieder besonders. Bianca hörte mir zu, konnte aber diese Marotte, wie sie es nannte, nicht verstehen. Kaffee ist doch gleich Kaffee! Oh nein. Aber das kann man nicht erklären, das muss man schmecken, riechen, fühlen!
Du hast meine Frage nicht beantwortete. Wo bist du noch wählerisch? Ich überlegte. Sonst war ich eigentlich ein Durchschnittsmensch, mit durchschnittlichen Gewohnheiten. Weder Kleidung noch Essen standen bei mir so im Vordergrund, dass ich ihnen besondere Beachtung geschenkt hätte. Nirgends! Sagte ich mit dem Brustton der Überzeugung. Bianca schwieg und rührte in ihrer Tasse. Und bei Frauen? Ganz leise kam ihre Frage. Sie sah mich nicht an dabei.
Schon hub ich an, eine Antwort zu geben, als ich mir fast auf die Zunge biss. Der launige Spruch, der mir in den Kopf gekommen war, wäre purer Sprengstoff gewesen. Gefrorenes Dynamit sozusagen, geeignet, eine Explosion zu verursachen.
Wie kann man da wählerisch sein? Das passiert, oder passiert nicht. Und wenn es passiert, sind die merkwürdigsten Umstände dafür verantwortlich! Eine neutrale Antwort, sollte sie sehen, wie sie damit zurecht kam. Du hast also keine Vorlieben für einen bestimmten Typ!
Nicht, dass ich wüsste! Ich war keineswegs bereit in eine subtil gestellte Falle zu gehen. Egal was ich geantwortet hätte, es hätte ihr Munition gegeben. Dabei wäre die Antwort ganz einfach gewesen. Ich hätte ihr nur einen Spiegel vorhalten müssen.
Vor Aussehen her, entsprach sie meinem Beuteschema, wie man so schön sagt. Groß, schlank, feingliedrig, liebes Gesicht und lange Haare. Eine Oberweite, die nicht zu groß, aber auch nicht zu klein war und zur ganzen Frau passte.
Sie lächelte in sich hinein. Kein definiertes Beuteschema? Jetzt verwendete sie das verpönte Wort selbst. Ich gab ein klein wenig nach. Doch, ein bisschen schon! Aber nicht als Religion. Ich finde sowieso, dass das Äußere gnadenlos überbewertet wird! So halb lächelte ich die Antwort.
Ihr Grinsen wurde spöttisch. Ja, ja, die berühmten inneren Werte. Zeig mir einen Kerl, der
nicht der Frau, für die er sich interessiert, auf den Busen starrt! Innere Werte, dass ich nicht lache. Euch interessieren die inneren Werte nur in sofern, als dass ihr sie gerne tief in ihr ergründen wollt!
Ihr Angriff, wenn es denn einer war, forderte meinen Widerspruch heraus. Ihr Frauen tut doch beinahe alles, um die Blicke der Männer auf euch und eure besonders hervorstechenden Attribute zu lenken. Sie wollte etwas einwerfen, doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen. Ist doch wahr! Ihr lockt mit euren Reizen und wenn ein Mann dann darauf anspringt, tut ihr empört, so als wäre er euch schon an die Wäsche gegangen. Dabei fordert ihr dann ein, nicht nur aus Körper, sondern auch aus Geist und Seele zu bestehen!
Und was ist falsch daran? Konterte sie augenblicklich, als ich den Mund schloss. Natürlich sollt ihr sehen, wie wir aussehen, sollt ihr uns bewundern und euch an unserem Anblick erfreuen. Aber Frau will mehr, Frau will als Ganzes gesehen und auch so respektiert werden. Nicht schon beim ersten Blickkontakt erkennen müssen, dass das Gegenüber scharf wie ein Rettich ist und nichts anderes mehr im Sinn hat, als die Frau schnellst möglich flach zu legen!
Ich wollte etwas sagen, aber sie ließ mich nicht zu Wort kommen. Auch Frau hat manches mal nichts dagegen, sich in Lust und Leidenschaft auf dem Bett zu wälzen. Aber das kann doch nicht alles sein. Warum sieht man euch eure Gedanken immer gleich sofort an? Darauf wusste ich keine Antwort. Keine Ahnung! Ich weiß nicht, wie das für sie geklungen hat, aber sie lachte plötzlich. Nein, kein spöttisches Grinsen, sondern ein fast schon fröhliches Lachen.
Oh Mann, euch kann man mit diesem Thema so schön hoch nehmen! Freut mich, dass ich zu deiner Belustigung beitragen konnte! Entgegnete ich trocken. Sie wurde wieder ernst. Komm, sei nicht eingeschnappt. Ich dachte, du hättest mehr Humor. Das war doch nur ein freundschaftlicher Disput, kein Generalangriff auf deine Integrität. Sie ergriff meine Hand.
Wusstest du nicht, dass sich Frauen nur mit den Männern kabbeln, die ihnen gefallen? Alle anderen bekommen nur die kalte Schulter gezeigt!
Die Berührung ihrer Hand gefiel mir. Lass uns die Friedenspfeife rauchen! Forderte sie mich auf und erhob sich. Plötzlich stand Carina vor uns. Mit unschuldiger Mine sagte sie zu ihrer Schwester, ich geh jetzt. Ich will mich noch mit Conny treffen! So, so. Mit Conny. Die' Conny oder der Conny? Carina wurde knallrot. Ohne etwas zu sagen drehte sie sich um und eilte davon.
Bianca lächelte immer noch, als ich ihr auf der Terrasse Feuer gab. Erste Liebe! Meinte sie vielsagend und drehte ihren Kopf. Ich meinte einen Schimmer von Schmerz, oder Traurigkeit zu erkennen. Trotzdem fragte ich, und du? Gehst du nachher auch zu einem Conny? Es gelang mir die Frage halb scherzend, halb ernst klingen zu lassen. Nur wenig schüttelte sie den Kopf. Hab keinen Conny! Ganz leise sagte sie es. Ich schwieg.
Und du? Die Frage traf mich unerwartet. Nein, ich habe auch keinen Conny. Blödmann! Auch dieses Wort kam leise aus ihrem Mund, während sie in den Garten starrte. Sie hatte Recht, das war die falsche Antwort gewesen. Aber auch keine Conny! Fuhr ich leise fort.
Warum nicht? Sie sah mich immer noch nicht an. Weil meine ehemalige Conny mit ihrem Tanzguru ein Tänzchen hatte! Sie lächelte, ich sah es aus den Augenwinkeln. Mein Conny war Sportler. Matratzensportler, wenn du verstehst, was ich meine! Ich denke, ich verstehe es! Wir schwiegen beide.
Als die Zigaretten ausgeraucht waren, sah sie mich an. Gehen wir eine Runde spazieren? Warum nicht. Mir war es hier eh zu laut und zu voll. Wir holten unsere Jacken und gingen, wieder über die Terrasse, durch den Garten nach draußen. Außer Isabel sah uns wohl niemand.
Erst als wir den Ort hinter uns gelassen hatten und am Sportplatz vorbei waren, begann sie ihr Schweigen zu brechen. Hat dich deine Conny verlassen, oder hast du sie rausgeschmissen?
Sie ist einfach gegangen. Ich war auf einer Tagung und als ich zurückkam, hatte sie ihr Zeug abtransportiert und auf dem Tisch lag ein Zettel. Und was stand drauf? Ihre Stimme war lebhafter geworden, zeigte eine Art von Anteilnahme. Die Worte hatten sich in meinen Kopf eingebrannt. Ich muss fort, ich liebe dich nicht mehr. Machs gut! Hart! Schweigend gingen wir weiter.
Und du? Was und ich? Liebst du sie noch? Ich blieb stehen. Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Da wird aus Liebe Hass und später Gleichgültigkeit. Nein, ich liebe sie nicht mehr! Und seit dem? Ich zuckte mit den Schultern. Wir waren weiter gegangen, aber jetzt blieb sie stehen. Eine neue Frau, eine neue Liebe? Ich schüttelte den Kopf. Keine Frau seit dem? Ich senkte den Blick. Doch, manchmal schon! Ich versteh schon. Keine fürs Herz, aber fürs Bett. Nicht, dass ich nicht gewollt hätte, aber es hat nicht funktioniert! Also, doch Ansprüche!
Wir gingen weiter. Und wie war es bei dir? Wagte ich zu fragen. Es dauerte eine Weile, bis sie Antwort gab. Mein Conny sprach von Liebe und Treue und meinte damit die Frauen allgemein. Es hat lange gedauert, bis ich dahinter kam, dass er so ziemlich jeder Frau schöne Augen machte und so manch einer zeigte, dass er Ausdauersportler war. Zuletzt an meinem Geburtstag einer Kollegin im Keller. Auch ganz schön hart! Ja, das war es. Ich habe gewartet, bis die Gäste weg waren, dann hab ich ihn rausgeschmissen! Noch in der Nacht!
Wann war das? Vor etwas mehr als einem Jahr! Und seit dem? Ich wiederholte ihre Worte. Sie schüttelte nur den Kopf! Versuchungen hat es gegeben, meinte sie nach einiger Zeit. Und Angebote auch! Aber das konnte ich nicht! Was mir jetzt auf der Zunge lag, wagte ich nicht auszusprechen!
Es ist nicht so schlimm, wie du meinst! Wenn das Herz versteinert ist, kann man den Versuchungen gut widerstehen. Sie schwieg. Und wenn die Versuchung zu groß wird, gibt es genug Möglichkeiten, sie zu überlisten! Ich wusste, was sie meinte. Unbewusst, hatte sie meine Frage beantwortet.
Weißt du, wenn ich meine kleine Schwester sehe, möchte ich ihr sagen, pass auf, was du tust. Aber natürlich kann ich ihr das nicht sagen. Sie muss ihren eigenen Weg gehen, muss selbst heraus finden, was sie fühlt und für wen. Dazu wusste ich mal wieder nichts zu sagen.
Wir waren einen großen Bogen gelaufen und näherten uns jetzt wieder dem Haus unserer Gastgeber. Eigentlich habe ich keine große Lust, noch mal rein zu gehen. Bianca sprach das aus, was ich dachte. Aber wir müssen wohl! Wahrscheinlich! Also schlichen wir uns durch den Garten wieder zurück. Isabels Gesicht war ausdruckslos, aber ihre Augen hatte sie nicht unter Kontrolle.