Mein Blick hatte sich an den sturmgebeugten Bäumen im weitläufigen Garten festgesaugt. Es war faszinierend zu sehen, wie die Nebelfetzen, vom Sturm gepeitscht, sich drehten, sich kugelten, wie sie sich an den kahlen Ästen festzuklammern versuchten und doch immer wieder losgerissen wurden, um in ruheloser Hast weiter zu treiben. Schon geraume Zeit saß ich da, genoss die Ruhe und die Tatsache, dass ich heute nur noch dann vor die Türe musste, wenn ich es wollte.
Obwohl im Kamin kein Feuer mehr brannte und das letzte Holzscheit nur noch vor sich hin glühte, war es mollig warm in der Bibliothek meines Vaterhauses. Der Geruch der alten Bücher hatte sich mit dem Duft des Feuers und in meiner Nase auch mit dem Duft des Tees vereinigt und bildete ein anheimelndes Aroma. Fast wie in der Kinderzeit.
Mein Urgroßvater hatte den Herrschaftlichen Besitz erworben, indem er die Witwe des verarmten Besitzers geheiratet hatte. Da er aus einer Bauernfamilie stammte, gelang es ihm den Hof zu bewirtschaften und wieder lukrativ zu machen. Auch mein Urgroßvater war verwitwet gewesen und brachte in die Ehe eine Tochter und einen Sohn mit ein. Allerdings hatte der Sohn, also mein Großvater, wenig Interesse an der Landwirtschaft und wurde stattdessen Rechtsanwalt. Meine Großtante hingegen, trat in die Fußstapfen meines Urgroßvaters und bewirtschaftete den Hof. Als sie kinderlos starb und mein Großvater das Gut erbte, verkaufte er einen Teil des Grundes an Bauern und baute das Haus zu einem Schmuckstück aus.
Auch mein Vater hatte kein Interesse an Landwirtschaft, studierte stattdessen lieber ebenfalls die Rechte und trat in die Kanzlei meines Großvaters ein. Er heiratete meine Mutter und zeugte mit ihr zwei Kinder. Meinen Bruder Max und eben mich, das Nesthäkchen, dem er den prosaischen Namen Agnes gab. 5 Jahre jünger als mein Bruder, verbrachte ich eine unbeschwerte Kindheit, die den ersten Riss bekam, als meine Mutter krank wurde und starb.
Max studierte Volkswirtschaft und trat nach dem Studium in eine Bank ein. Nach mehreren Stationen, die ihn auch ins Ausland führten, bewarb er sich um die Stelle eines Direktors bei unserer Hausbank und erhielt diese Stelle auch. Zuerst nur verantwortlich für den damals noch nicht so genannten Backoffice-Bereich, wurde er schließlich Sprecher des Vorstandes. Er heiratete und bezog mit seiner Frau das Gutshaus, indem sie heute noch leben.
Und ich? Nun, ich wusste nicht so genau, was ich werden wollte, schaffte mit hängen und würgen mein Abi und probierte dies und das. Schließlich entdeckte ich meine Liebe zur Kunst und studierte Kunstgeschichte. Nach der Promotion wurde ich Kuratorin eines Museums, wechselte nach einigen Jahren in die Archäologische Verwaltung und kehrte dann schließlich doch wieder zurück zu einem Museum. Dieses leite ich noch heute und meine Arbeit macht mir Freude.
Und mein privates Leben? Nun, das war und ist geprägt von Höhen und Tiefen. Alles in allem bin ich glücklich, so wie es ist. Ich genieße mein Leben und kann feststellen, dass ich mit meinen vierzig Jahren fast alle meine Ziele erreicht habe. Und wenn ich auch zur Zeit keinen Partner habe, so ist mein Leben doch ausgefüllt und das in jeder Hinsicht.
Wie jedes Jahr, hatte ich mich am Freitag vor dem 3. Advent auf den Weg gemacht, um heimzukehren. Es hatte nur ganz wenige Weihnachten gegeben, an denen ich nicht bei meiner Familie gewesen bin.
Am späten Vormittag war ich angekommen, war von meiner Schwägerin liebevoll begrüßt und aufgenommen worden. Selbst mein Bruder war auf einen Sprung nach Hause gekommen und so fühlte ich mich unendlich wohl in meiner Haut.
Ich bezog mein altes Zimmer und genoss die Heimkehr in eine Welt, die schon lange vergangen war. Noch immer saßen Hilde und Brummbär auf der geblümten Tagesdecke meines Bettes und hielten es für mich frei. Noch immer hing das Poster von Michael Holm an der Wand und noch immer lag in meinem Geheimfach allerlei, was andere nichts anging.
Da war in einem Juwelierkästchen, auf blauem Samt gebettet, der erste Milchzahn, den ich verloren hatte. Daneben lag der kleine, angerostete Schlüssel zu meinem Tagebuch, dem ich meine kleinen Sorgen und Erfolge mit grüner Tinte in runder Mädchenschrift anvertraut hatte.
Ebenfalls darin fand sich ein verblichenes Schwarzweißbild meiner Mutter und im gleichen Stapel lag das von krakeligen Herzchen ummalte Bild von Anton. Anton war meine erste Liebe gewesen, doch wie das so mit ersten Lieben ist, er wusste nichts davon.
Unter einem Seidentuch, dass ich damals als erstes Geschenk von meinem ersten richtigen Freund bekommen habe, lag.... ein Massagestab. Mein Erster. Mit zitternden Händen hatte ich ihn, als ich so etwa 19 Jahre alt war, per Post bestellt und ihn mir postlagernd in die nächste Stadt liefern lassen. Noch heute kann ich mich an diesem Postschalter sehen und mit piepsiger Stimme mein Päckchen abholen. Ich weiß noch, wie ich mit dem Fahrrad nach Hause gefahren bin, mich in meinem Zimmer eingeschlossen habe und mit zittrigen Fingern das Päckchen ausgepackt habe. Nichts tat sich, was auch kein Wunder war, denn die Batterien fehlten.
Die brachte ich dann am nächsten Tag mit nach Hause und probierte den Stab am Abend dieses Tages aus. Es war ein Desaster, der Erfolg wollte und wollte sich nicht einstellen, sodass ich schließlich doch wieder zur bewährten Handarbeit übergehen musste. Doch keine Angst, nach und nach bekam ich heraus, was ich tun musste um Erfolg zu haben. Üben macht eben doch die Meisterin. Dieser Massagestab begleitete mich dann einige Jahre. Heute hat er nur noch Erinnerungswert. Meine jetzigen Spielzeuge sind doch ausgereifter und bei weitem effektiver.
Für einen Moment war ich auf meinem Bett gesessen und hatte meine Schätze ehrfürchtig betrachtet. Schließlich packte ich sie wieder weg, ließ aber das Fach noch offen. Ich wühlte in meinem Koffer, bis ich den blauen Kulturbeutel fand, der ganz zu unterst lag. In ihm hatte ich eine Auswahl meiner Spielzeuge verwahrt und die brachte ich jetzt im Geheimfach unter. Denn eines war klar, Martha, die Perle meines Vaters und jetzt meines Bruders und seiner Frau, würde sehr sorgfältig mein Zimmer aufräumen. Jeden Tag. Und sie musste mein Equipment der Lust nun wirklich nicht finden.
Dann war ich auf die Suche nach meiner Schwägerin gegangen, hatte auf meinem Weg Martha in der Küche einen Besuch abgestattet und war dann schließlich, wie jedes Mal, meinen Lieblingsweg zum Weiher gegangen. Ohne Mühe fand ich die Bank, die hinter den Büschen stand und um die eine kleine, jetzt zugewachsene Graßfläche, gewesen war. Dort, auf dieser Bank und wenig später dann im Gras, hatte ich in einer lauen Sommernacht das erste Mal männliche Hände in meinem Slip gespürt. Nervöse männliche Hände, wenn auch nicht so nervös wie meine Hand, die sich im selben Augenblick das erste Mal mit einem sehr harten und wie mir schien, sehr großen Glied beschäftigte.
Ich spürte die unbeholfenen Finger, die meinen Körper erkundeten und mir so gut taten, auch wenn sie nie den richtigen Punkt trafen. Ich spürte, wie sich eine unbeherrschte Zunge in meinen Mund drängte und ich hörte plötzlich ein immer stärker werdendes Keuchen. Automatisch griff meine Hand fester zu, bewegte sich schneller und plötzlich spürte ich eine klebrige, heiße Flüssigkeit, die mir zwischen die Finger lief, begleitet von einem wohligen Aufbäumen und Aufstöhnen. Als ich später in alleine in meinem Zimmer und im Bett war, hatte ich es so eilig, dass ich nicht die Geduld hatte, mein Geheimfach öffnen und lieber auf meine bewährte Handtechnik zurück griff. Und an diesem Abend spürte und erlebte ich das erste Mal, was es heißt zu multiplen Orgasmen fähig zu sein.
Auch jetzt, während ich mich trotz der Kälte für einen Moment auf der verwitterten Bank niedergelassen hatte und mit geschlossenen Augen vor mich hin träumte, spürte ich dieses aufregende Kribbeln. Ich spürte, dass ein Lächeln über mein Gesicht zog. Heute abend würde ich mein Geheimfach öffnen und mit dem einen oder anderen Spielzeug lustfördernde Spiele spielen.
Langsam war ich zurück gegangen und hatte mich mit einer Tasse heißen Tees in die Bibliothek verzogen. Aus dem Fenster schauend, war ich langsam wieder ruhiger geworden, ohne die Vorfreude auf die Nacht zu verlieren.
Es war nur ein leises Geräusch, aber ich konnte es sofort zuordnen. Schritte kamen von der Tür auf mich zu und hörten genau hinter mir auf. Ich wusste, dass ich dich hier finden würde! Die leise Stimme meines Bruder klang an mein Ohr und wenig später spürte ich seine Hände auf meinen Schultern. Schön, dass du mal wieder da bist. Ich ergriff eine der Hände und drückte sie fester an mich. Finde ich auch, gab ich murmelnd zurück.
Mein Bruder ließ mich los und setzte sich mir schräg gegenüber auf einen der ledernen Fußschemel. Er sah mir in die Augen und lächelte sanft. Du hast dich kein bisschen verändert! Eine Lüge, aber eine sehr nette Lüge. Auch ich musterte ihn. Er hatte sich verändert. Etwas fülliger war er geworden und seine Haare begannen weiß zu werden. Komm, forderte er mich auf. Martha hat das Essen fertig. Gerade wollte ich mich aus meinem Sessel kämpfen, als ich ein Geräusch hörte. Ein quietschgelbes, kleines Auto holperte über den Hof und blieb direkt neben meinem Wagen, links vom Eingang stehen.
Erst kam ein Schirm zum Vorschein, der sich aber im Wind sofort umstülpte, dann hangelte sich eine schlanke Gestalt aus dem Wagen. Sie bückte sich und brachte eine Aktentasche zum Vorschein. Dann eilte diese Gestalt, gebeugt und nur sehr unzureichend vom Schirm geschützt, zum Eingang. Und schon war sie im Haus verschwunden.